Entscheidungsstichwort (Thema)
Von Jugendwerk an eine staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieherin für die besonders intensive, professionelle und unternehmerische Betreuung sowie Erziehung von mindestens vier bedürftigen Jugendlichen geleistete, der Höhe nach deutlich über einem Durchschnittsverdienst liegende Zahlungen nicht als „Beihilfe” nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei
Leitsatz (redaktionell)
Erhält eine staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieherin als sog. „ISE-Betreuungsstelle (Intensive Sozialpädagogische Betreuung)” aufgrund eines Kooperationsvertrags von einem Jugendwerk für die besonders intensive Betreuung, Erziehung, Verpflegung und Unterbringung von durchgehend mindestens vier bedürftigen Jugendlichen Zahlungen, die deutlich über den Ersatz der ihr entstandenen Aufwendungen hinausgehen und ihr zu einem Einkommen verhelfen, das über dem durchschnittlichen Erwerbseinkommen der inländischen Bevölkerung liegt (monatliches Gesamthonorar ohne Sachkostenersatz in Höhe von mehr als 12.000 EUR, jährliche Gewinne von 70.000 bis 93.000 EUR), so sind die vom Jugendwerk geleisteten Zahlungen nicht im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG als steuerfreie Beihilfen anzusehen, die dem Zweck dienen, die Erziehung unmittelbar zu fördern. Vielmehr handelt es sich um eine auf Dauer zur Erzielung von Einkünften angelegte entgeltliche Tätigkeit auf der Basis eines Austauschgeschäfts, wenn die gesamten Vertragsmodalitäten eine auf Dauer angelegte, institutionalisierte, professionelle Betreuung der Jugendlichen im Rahmen einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung im Sinne des § 35 SGB VIII manifestieren, die anderen gewerbsmäßig betriebenen Erziehungsstellen, bei denen die durch die Betreuung erzielten Einkünfte zu versteuern sind, gleichkommt und nicht mehr den Charakter einer durch Unentgeltlichkeit, Uneigennützigkeit und Einseitigkeit geprägten Beihilfe hat (im Streitfall: Höhe der Zahlungen, Beschäftigung von Angestellten, Auftritt unter firmenähnlicher Bezeichnung, unternehmerische Konzeption der Betreuung als gegen steuerfreie Beihilfen sprechende Indizien).
Normenkette
EStG § 3 Nr. 11, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2; SGB VIII §§ 33-35, 41, 78f S. 1, § 78b Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob es sich bei den Zahlungen des. Jugendwerks X für die Betreuung von Jugendlichen um eine steuerfreie Beihilfe im Sinne des § 3 Nr. 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelt.
Die Klägerin, […], absolvierte in den Jahren 2007 bis 2010 eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Jugend- und Heimerzieherin.
Seit 2007 betreut sie Jugendliche, seit 2010 auf Grundlage eines auf den 4. November 2010 datierten Kooperationsvertrages mit dem Jugendwerk X. Der Kooperationsvertrag wurde durch einen auf den 1. Januar 2011 datierten, am 22. Februar 2011 unterschriebenen Vertrag geändert. Gegenstand des Vertrags ist nach dessen § 1 „die Zusammenarbeit zwischen dem Jugendwerk … und der ISE-Betreuungsstelle (Intensive Sozialpädagogische Betreuung): Frau [Klin] … zur Durchführung einer Hilfemaßnahme im Rahmen der Jugendhilfe gemäß § 27 in Verbindung mit den §§ 34, 35, bzw. 41 SGB VIII”. Nach § 3 des Kooperationsvertrags hat die Klägerin u.a. folgende Aufgaben:
„Aufgaben der Betreuungsstelle
- Verantwortliche Durchführung der Maßnahmen, Gewährleistung eines gelingenden Alltags.
- …
- Mitwirkung bei der Erstellung des Hilfeplans gem. § 36 SGB VIII als Grundlage und Maßstab der aller pädagogischen Aktivitäten vor Ort.
- Erstellung einer Erziehungsplanung auf der Basis des Hilfeplans innerhalb von 8 Wochen.
- Dokumentation des Erziehungsprozesses einschließlich schriftlicher Berichterstattung an den Träger.
…”
Hinsichtlich der einzelnen zu betreuenden Jugendlichen schloss die Klägerin jeweils eine als „Leistungs- und Honorarvertrag über Betreuungsstelle” bezeichnete Vereinbarung mit dem A. Jugendwerk X „zur Durchführung einer Hilfemaßnahme im Rahmen der Jugendhilfe gemäß § 27 in Verbindung mit den §§ 34, 35, 35a bzw. 41 SGB VIII (Kinder und Jugendhilfegesetz)”. Als Aufgaben der Klägerin als Betreuungsstelle regelt § 3 des Leistungs- und Honorarvertrags:
„Der Verantwortliche Betreuer gewährleistet das Kindeswohl durch:
- Gewährleistung eines gelingenden Alltages
- Entscheidung über Aufnahme und Entlassung eines Jugendlichen in Absprache mit dem Träger
- Mitwirkung bei der Erstellung des Hilfeplans gemäß § 36 SGB VIII als verbindliche Grundlage der pädagogischen Arbeit
- Regelmäßige Dokumentation des Erziehungsprozesses, einschließlich schriftlicher Berichterstattung an den Träger
- Unverzügliche Information des Trägers über besondere Vorkommnisse
- Gewährleistung des Zugangs zu Kommunikationsmitteln (Telefon und E-Mail) gemäß Absprache (Regelkommunikation) und im persönlichen Krisenfall des jungen Menschen (Bedarfskommunikation)
- Rechnungsstellung des Honorars und der Sachkosten bis zum 15. eines laufenden M...