Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Umdeutung einer Klage in Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Voraussetzung der Befreiung von Einfuhrumsatzsteuer nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG. Nacherhebung von Einfuhrumsatzsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Umdeutung einer Klage in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist nicht möglich.

2. Voraussetzung für die Steuerbefreiung der Einfuhr von Gegenständen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist, dass derjenige, in dessen Namen die Zollanmeldung abgegeben wird und der damit Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer geworden ist, Verfügungsmacht über die Ware hat und diese im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferung verwendet und auch verwenden kann.

3. Weitere Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist die Angabe der USt-ID-Nr. des Lieferers, durch die eine Kontrolle der beabsichtigten innergemeinschaftlichen Lieferung sichergestellt wird. Die neuere Rechtspr. des BFH zu § 6a UStG ist auf die Nachweispflichten im Zeitpunkt der Einfuhr nicht übertragbar.

4. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG kann auf Fälle, in denen (nur) ein Beauftragter des Lieferers Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist, nicht analog angewandt werden, da die 6. Mehrwertsteuerrichtlinie die Identität des Importeuers und Steuerschuldners verlangt.

5. Eine Zollanmeldung kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Anmeldung in indirekter Vertretung abgegeben wird, da ein Handeln als Vertreter offengelegt werden muss.

6. Wird eine Zollanmeldung über das elektronische Datenverarbeitungssystem ATLAS abgegeben, liegt grundsätzlich eine eindeutige Willenserklärung vor, der i. d. R. einer Auslegung nicht zugänglich ist.

7. Es besteht keine Pflicht der Zollbeamten zur Überprüfung, ob die eindeutige Erklärung der Zollbeteiligten inhaltlich so gemeint sind, wie sie erklärt wurden.

8. Ist für den Importeuer erkennbar, dass eine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG nicht in Betracht kommt, steht Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 ZK einer Nachererhebung nicht entgegen.

 

Normenkette

UStG 2005 § 5 Abs. 1 Nr. 3, §§ 6a, 14a, 13 Abs. 2, § 21 Abs. 2; UStDV §§ 17a, 17c; ZK Art. 201 Abs. 1a, 3, Art. 220 Abs. 2b Unterabs. 1, Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 1, Art. 62 Abs. 1; ZKDV Art. 212 Abs. 1, 3; 6. Mehrwertsteuerrichtlinie Art. 28c D, Art. 21 Abs. 4; BGB §§ 133, 157

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.01.2012; Aktenzeichen VII R 77/10)

BFH (Urteil vom 26.01.2012; Aktenzeichen VII R 77/10)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem Einfuhrumsatzsteuer gegen den Kläger festgesetzt wurde.

Mit einer über das auf elektronischer Datenverarbeitung basierende Automatisierte Tarif- und Lokale Zollabwicklungssystem der Bundesfinanzverwaltung (ATLAS) abgegebenen Zollanmeldung vom 2. Mai 2006 beantragte der in der Schweiz ansässige Kläger, vertreten durch die Spedition GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger ist, beim Zollamt X, einer Dienststelle des Beklagten (im Folgenden HZA), mit Verfahrenscode 4200 die Überführung von Mikroprozessoren (Position 1) und IPods Nano 4 GB (Position 2) in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Als Verkäuferin war in der Zollanmeldung die B Inc., Y /USA, und als Käuferin die C SA, Z / Luxemburg, aufgeführt. Zudem war die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID-Nr.) des Klägers als Zollanmelder angegeben. Einen Hinweis darauf, dass er lediglich als indirekter Vertreter der Versenderin (Verkäuferin) auftreten wollte, enthält die Zollanmeldung nicht. Die sich bei den Akten befindenden Kopien der in englischer Sprache abgefassten Rechnungen der Versenderin (Verkäuferin) vom 1. Mai 2006 wurden nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers beim Eintreffen der Ware an der Grenze vorgelegt. Neben der Bezeichnung der Ware, des Verkäufers und des Käufers enthielten die Rechnungen die Aufforderung, Zahlungen an eine auf den niederländischen Antillen ansässige Firma, die R N.V., zu leisten. Zudem war auf den Rechnungen jeweils der folgenden Aufdruck angebracht:

„Fiskalvertretung:

Fa. A Agentur,

DE-N

ID-UST No. DE …

ID-UST No. LU …

Es handelt sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung nach Art. 6a Ustg”

Der Aufdruck war in einem anderen Schrifttyp abgefasst als die übrigen Angaben in der Rechnung. Wegen der Einzelheiten wird auf die sich in den Verwaltungsakten befindende Zollanmeldung und die vorgelegten vier Rechnungen mit den Nummern 294, 295, 298 und 299, jeweils vom 1. Mai 2006, verwiesen.

Das Zollamt X nahm die Zollanmeldung wie angemeldet an und setzte dementsprechend mit Einfuhrabgaben-Erstbescheid vom 2. Mai 2006 zunächst keine Einfuhrumsatzsteuer fest.

Nach Auskunft des HZA wurden im Zuge von Ermittlungen der Zollfahndung unter anderem auch die vorliegenden Rechnungen überprüft. Dabei hätten sich Anhaltspunkte für d...

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