rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Besuch eines islamischen Mädchenkollegs ist keine Berufsausbildung. Keine Gleichheit im Unrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Besuch eines islamischen Mädchenkollegs, der ohne Abschluss endet und keinen unmittelbaren Zugang zu einem Beruf eröffnet, ist keine Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a EStG, weil dieser nicht auf einen Beruf, sondern auf ein Leben als Frau und Mutter nach dem Islam vorbereitet.
2. Ein Unterricht in verschiedenen Sprachen von wöchentlich insgesamt sechs Stunden ist kein ernsthafter Sprachunterricht, der der Berufsausübung zugeordnet werden kann.
3. Unerheblich ist, ob Familienkassen in anderen Fällen den Besuch des Mädchenkollegs als Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a EStG angesehen und deshalb Kindergeld festgesetzt haben, da es keine Gleichheit im Unrecht gibt.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a, § 63 Abs. 1 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Besuch eines islamischen Mädchenkollegs Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a Einkommensteuergesetz (EStG) ist.
Die verheiratete Klägerin ist türkische Staatsangehörige und islamischer Religionszugehörigkeit. Sie bezog für ihre am 2. Januar 1993 geborene Tochter B von der beklagten Bundesagentur für Arbeit – Familienkasse X – Kindergeld. Wegen Vollendung des 18. Lebensjahrs wurde die Festsetzung des Kindergelds durch Bescheid vom 18. November 2010 aufgehoben.
Am 17. Dezember 2010 beantragte die Klägerin Weiterzahlung des Kindergelds für ihre Tochter, da diese noch die Schule besuche. Nach der vorgelegten Bescheinigung der I e.V., mit dem Datum 10. Dezember 2010 besuchte das Kind die erste Klasse im Vollzeitunterricht. Die Schulausbildung sollte am 16. Juli 2012 enden.
Durch Bescheid vom 4. Januar 2011 lehnte die Familienkasse die Festsetzung des Kindergelds für B ab Februar 2011 ab, da die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG für die Zahlung von Kindergeld für ein über 18 Jahre altes Kind nicht erfüllt seien. Der Besuch der Islamschule stelle keine Ausbildung i.S.d. EStG dar.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 11. Januar 2011 mit der Begründung Einspruch ein, sie habe zwei Bekannte, deren Kinder auch diese Schule besuchten und ohne weiteres Kindergeld bekämen. Auf die Frage nach dem Berufsziel des Kindes teilte die Klägerin mit, B habe ein solches noch nicht.
Durch Entscheidung vom 20. Juli 2011 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Kindergeld bestehe nicht, da sich das volljährige Kind nicht in Berufsausbildung befinde. Der Besuch der Islamschule sei nicht konkret berufsbezogen, denn er führe nicht zu einem Beruf.
Zur Begründung ihrer am 3. August 2011 erhobenen Klage lässt die Klägerin im Wesentlichen folgendes vortragen: Die Klage sei begründet, da die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG vorlägen. Ihre Tochter besuche seit September 2009 bis voraussichtlich Mitte Juli 2011 das Islamische Mädchenkolleg in Z. Hierbei handle es sich um eine Privatschule. Voraussetzung für die Aufnahme ins Kolleg sei die Erfüllung der Schulpflicht der entsprechenden Bundesländer. Ein bestimmter Schulabschluss werde im Islamischen Mädchenkolleg in Z nicht erworben. Allerdings würden den Schülerinnen Grundkenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die für die Fortsetzung der Berufsausbildung, beispielsweise durch Aufnahme eines Studiums der Theologie oder Islamwissenschaften, eine grundlegende Basis darstellten. Parallel dazu sei es den Absolventinnen nach erfolgreichem Abschluss auch möglich, beispielsweise in einer Moschee oder einer islamischen Gemeinde als Lehrerin tätig zu werden. Die Schülerinnen würden in unterschiedlichen Fächern unterrichtet. Dabei stünden islamische Unterrichtsfächer im Vordergrund. Gegenstand der Ausbildung sei jedoch auch das Erlernen bzw. Vertiefen von Sprachen sowie allgemeinbildende Unterrichtsfächer. So würden die Absolventinnen u.a. in Geschichte, Politik, Englisch, Musik, Kunst und Arabisch u.a. ausgebildet. Entgegen der Auffassung der Familienkasse diene der Besuch der Islamschule durchaus der Berufsausbildung. Im Rahmen dieser Ausbildung würden Fähigkeiten vermittelt, welche für eine etwaige sich anschließende weitere Berufsausbildung durchaus vorteilhaft seien. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass es ihrer Tochter nach Abschluss des islamischen Mädchenkollegs möglich sei, in einer Moschee oder einer islamischen Gemeinde als Lehrerin zu arbeiten. Auf die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 10. Oktober 2000 6 K 795/98 Ki (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2001, 514) werde verwiesen. Der dortige dreijährige Besuch des islamischen Instituts in K sei mit dem hier streitgegenständlichen Besuch der Tochter in der Islamschule in Z vergleichbar. In beiden Fällen werde der Absolvent u.a. im Islam unterrichtet, was ihm nach Abschluss des Instituts ...