Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzung der Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen im Umsatzsteuerrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Ausschlaggebend für die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei der Erbringung von Bauleistungen sind nicht die Umsatzverhältnisse des Vorjahres, sondern ob der Leistungsempfänger gegenüber dem Leistenden zu erkennen gibt, dass er in seiner Rolle als Leistungsempfänger Bauleistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG erbringt.
2. Hat der Leistungsempfänger Abschlagsrechnungen akzeptiert und die Umsatzsteuer nach § 13b UStG abgeführt, würde es dem Zweck des § 13b UStG zuwiderlaufen, wenn das FA die vom Leistungsempfänger abgeführte Umsatzsteuer wieder erstatten müsste, weil sich bei diesem zwischen Abschlagszahlung und Abnahme des Projekts die Verhältnisse so geändert haven, dass er nicht mehr als Unternehmer angesehen werden könnte, der Leistungen i. S. d. § 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 1 UStG erbringt.
Normenkette
UStG 2007 § 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 4, S. 3, Abs. 2 S. 2, § 14a Abs. 5, § 18 Abs. 3; EStG § 48b
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob sich der Kläger (Kl) als Unternehmer im Sinne des § 13b Abs.1 Satz 1 Nr.4 Umsatzsteuergesetz (UStG) behandeln lassen muss.
Der Kl war im Streitjahr als Einzelunternehmer überwiegend als Bauträger tätig. Er war zugleich alleiniger Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der A Baugesellschaft mbH (im Folgenden auch: GmbH), über deren Vermögen durch Beschluss vom 18. März 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kl beauftragte die GmbH mit den Rohbauarbeiten für ein Wohn- und Geschäftshaus auf dem Grundstück … straße in X. Für die geleisteten Arbeiten stellte die GmbH zwischen 17. April 2007 und 11. September 2007 an das Einzelunternehmen des Kl 11 Abschlagsrechnungen über insgesamt 410.000 EUR. Auf die angeforderten Abschlagszahlungen wandte sie § 13b Abs.1 Satz 1 Nr.4 UStG an und wies den Kl auf seine Steuerschuldnerschaft als Leistungsempfänger hin. Dieser meldete die Umsatzsteuer in seinen Voranmeldungen für die Kalendervierteljahre I bis III/2007 an.
Am 31. Oktober 2007 stellte die GmbH eine Abschlagsrechnung über 10.000 EUR, bei der sie immer noch von der Steuerschuldnerschaft des Kl ausging. Am 17. Dezember 2007 stellte sie die Schlussrechnung für den Rohbau. Anders als in den Abschlagsrechnungen forderte die GmbH vom Kl nunmehr 19 % Umsatzsteuer auf den Nettobetrag von 353.498,06 EUR. Unter Abzug der bisher geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 420.000 EUR netto vom Bruttorechnungsbetrag in Höhe von 420.662,70 EUR errechnete sie einen noch zu zahlenden Restbetrag von 662,70 EUR. Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Schlussrechnung (Umsatzsteuerakten, Bl 199) Bezug genommen.
In seiner am 12. November 2007 eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung IV/2007 machte der Kl einen Umsatzsteuer-Überschuss in Höhe von -69.066,58 EUR geltend. Davon trat er am 10. Januar 2008 einen Teilbetrag in Höhe von 60.000 EUR an die … bank … ab. In der Umsatzsteuer-Voranmeldung IV/2007 erklärte der Kl erhaltene Bauleistungen gemäß § 13b Abs.1 Satz 1 Nr.4 UStG in Höhe von – 42.294 EUR, woraus er insoweit eine Umsatzsteuer-Überzahlung in Höhe von – 8.035,71 EUR errechnete (Gerichtsakten Bl. 85).
Der Bekl verweigerte der Umsatzsteuer-Voranmeldung IV/2007 die Zustimmung. Stattdessen veranlasste er eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das IV. Kalendervierteljahr 2010. Der Prüfer ermittelte, dass der Kl auch gegenüber anderen Auftragnehmern als Unternehmer im Sinne des § 13b Abs.1 Satz 1 Nr.4 UStG aufgetreten war und vertrat deshalb die Auffassung, dass dieser als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für die für das Objekt … straße erbrachten Bauleistungen schulde. Dies gelte für die gesamte Umsatzsteuer aus der Schlussrechnung der GmbH vom 17. Dezember 2007, die der Prüfer mit 19/119 aus dem Bruttorechnungsbetrag in Höhe von 420.662,70 EUR berechnete (s. Prüfungsbericht Seite 4, Umsatzsteuerakten, Bl 29).
Am 1. April 2008 erließ der Bekl einen entsprechenden Vorauszahlungsbescheid, in dem er die Umsatzsteuer auf 9.324,26 EUR statt auf – 69.066,58 EUR festsetzte. Darin sind erhaltene Bauleistungen gemäß § 13b Abs.1 Satz 1 Nr.4 UStG in Höhe von 305.649 EUR enthalten, was insoweit zu einer Umsatzsteuerschuld in Höhe von 58.073,31 EUR führt.
Gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid IV/2007 legte der Kl am 15. April 2008 Einspruch ein. Die GmbH habe ihn von Anfang an zu Unrecht als Unternehmer im Sinne des § 13b Abs.1 Satz 1 Nr.4 UStG angesehen. Mit der Erstellung der Abschlagsrechnungen habe er sich nicht persönlich befasst. Erst bei der Erteilung der Schlussrechnung habe er den Fehler bemerkt.
Mit Entscheidung vom 7. Oktober 2008 wies der Bekl den Einspruch als unbegründet zurück. Der Kl und die GmbH hätten bei den insgesamt 12 Abschlagsrechnungen die Regelun...