Entscheidungsstichwort (Thema)

Organisatorische Eingliederung einer während des Vergleichsverfahrens als Auffanggesellschaft gekauften 100-%igen Tochtergesellschaft; maßgeblicher Zeitpunkt für die Unternehmereigeneigenschaft einer juristischen Person als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wurden während des Vergleichsverfahrens bei einer GmbH alle Anteile einer anderen Kapitalgesellschaft als Auffanggesellschaft erworben, die die Vertriebs- und Einkaufsaktivitäten des Unternehmens übernehmen sollte, so fehlte es trotz der Personengleichheit der Geschäftsführer bei der Mutter- und der Tochtergesellschaft jedenfalls solange an einer organisatorischen Eingliederung der Tochergesellschaft als Voraussetzung für eine umsatzsteuerliche Organschaft, als bei der Auffanggesellschaft noch keine Geschäftstätigkeit und damit auch keine Geschäftsführung stattfand und zudem die Geschäfte bei der Muttergesellschaft während des Vergleichsverfahrens faktisch vom vorläufigen Vergleichsverwalter geführt wurden, der auf die Geschäftsführung und auf die Willensbildung bei der der Auffanggesellschaft nachweislich keinen Einfluss genommen hat.

2. Für die Frage der Unternehmereigenschaft einer juristischen Person als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug kommt es auf die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung des Vorsteuerabzugs -dem Zeitpunkt, in dem die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bewirkt wird - und nicht auf den späteren Zeitpunkt der Rechnungserstellung an; in die Prüfung der für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Unternehmerbegriffs erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sind aber zur Beweisführung auch die Verhältnisse in den Zeiträumen vor und nach dem dem Zeitpunkt des Leistungsbezugs einzubeziehen.

3. Zur Frage der organisatorischen Einliederung als Voraussetzung für die umsatzsteuerliche Organschaft.

 

Normenkette

UStG 1991 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 2; EWGRL 388/77 Art. 17 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2; AO 1977 § 38; UStG 1991 § 16 Abs. 2 S. 1, § 2 Abs. 1, § 16 Abs. 1; VerGlO § 12 satz 2, § 57 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.01.2002; Aktenzeichen V R 37/00)

 

Tatbestand

Klägerin (Klin) ist die ... Die Klin begann ihre Tätigkeit am 1. Juni 1992 [Ziffer 9 des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung (Gründung einer Kapitalgesellschaft) Bl. 23 der Allgemeinen Akten, Band I, StNr.: ... Sie hat ihren Sitz seit dem 1. März 1992 in ... [siehe ... (Bl. 11 der Allgemeinen Akten, Band I StNr.: ...]. Seit diesem Zeitpunkt ist Gegenstand ihres Unternehmens die Herstellung und der Vertrieb von ... und ... ... sowie der Großhandel mit ... [§ 1 des Gesellschaftsvertrags vom 9. Juni 1992 (Bl. 27 f. der Allgemeinen Akten Band I StNr: 86159/04312); Ziffer IV 4. und 5. der notariellen Urkunde vom 31. März 1992. Urkundenrolle Nr. 965/1992 (Bl. 66 ff., 74 und 75 der Allgemeinen Akten Band I)].

Die Klin war am 22. Januar 1992 unter der ... mit dem Sitz in ... errichtet worden [§ 1 des Gesellschaftsvertrags vom 22. Januar 1992 (Bl. 2 ff., 7 der Allgemeinen Akten Band I)]. Gegenstand ihres Unternehmens war ursprünglich die Verwaltung eigenen und fremden Vermögens (§ 2 des Gesellschaftsvertrags vom 22. Januar 1992). Vom Stammkapital von ... DM hatten der Wirtschaftsjurist ... [als Treuhänder (Tz. 12 des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung, Bl. 13/Rs der Allgemeinen Akten Band StNr.: ...)] ... DM und die ... ... in ... DM übernommen (§ 4 des Gesellschaftsvertrags vom 22. Januar 1992). Alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer waren ... und der ... in ... [(siehe Vertrag über die Errichtung einer Gesellschaft mbH (Bl. 3 der Allgemeinen Akten Band I) und den Handelsregisterauszug vom Februar 1992 (Bl. 10 der Allgemeinen Akten Band I)].

Es handelte sich um eine „Vorratsgründung”, die als Serviceleistung der ... ... für ihre Kunden vorgenommen wurde [Ziffer II.3.b der Klageschrift vom 24. August 1994 (Bl. 8 ff., 18 a der FG-Akten)]. Die Klin war eine passive Schubladengesellschaft, für die nur Selbstverwaltungsgeschäfte bzw. die mit ihrer Gründung verbundenen Kosten zu verbuchen waren. Umsätze wurden nicht ausgeführt [Ziffer II.3.a der Klageschrift vom 24. August 1994 (Bl. 8 ff, 18 der FG-Akten und Anlage 15 zur Klageschrift (Bl. 97–99 der FG-Akten)].

Mit dem Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 31. März 1992 erwarb die ... (Hinweis auf § 4 S. 6 Ziffern 2 und 3 der notariellen Urkunde vom 7. September 1989 Urkundenrolle 1497/1989; Allgemeine Akten Band II StNr.: ...) in ... [später (Hinweis auf den Gesellschafterbeschluß vom 19. Mai 1992 – Bl. 123 der Allgemeinen Akten Band II) ... ... – im folgenden: die W-GmH –] die Geschäftsanteile der Klin für ... DM (Bl. 66 ff. der Allgemeinen Akten Band I StNr.: ...), wobei u. a. der vom Amtsgericht ... (im folgenden: AG) am 24. März 1992 bestellte vorläufige Verwalter, ... (im folgen – 25. den auch: der Beigeladene – Bgl –), für die W-GmbH handelte (Ziffer 3 der notariellen Urkunde...

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