Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur steuerlichen Anerkennung eines Vertrages über die Bildung einer Gewinn- und Verlustgemeinschaft (Gewinngemeinschaftsvertrag) zwischen zu einem Konzern gehörenden Schwesterkapitalgesellschaften (Nachfolgeentscheidung zu BFH, Urteil v. 22.2.2017, I R 35/14, BStBl 2018 II S. 33)
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Gewinngemeinschaftsvertrag nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG unterscheidet sich in seiner Wirkung und Zielsetzung grundlegend von einem Gewinnabführungsvertrag nach § 291 Abs. 1 AktG. Beide Vertragsformen stehen nebeneinander und schließen sich schon insoweit begrifflich aus. Im Gegensatz zu einem Gewinnabführungsvertrag wird bei der Gewinngemeinschaft ein Unter- bzw. Überordnungsverhältnis zwischen den Gesellschaften nicht begründet. Trotz organisationsrechtlicher Teilaspekte ist der Gewinngemeinschaftsvertrag in erster Linie als schuldrechtlicher Austauschvertrag anzusehen (Ausführungen zu Rechtsnatur und -grundlagen des Gewinngemeinschaftsvertrags).
2. Ein Gewinngemeinschaftsvertrag ist in seiner konkreten Ausgestaltung nach den allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen – gerade unter Berücksichtigung des § 8 KStG – zu beurteilen. Die mit der Begründung einer Gewinngemeinschaft verbundene Ergebnispoolung zwischen Schwesterkapitalgesellschaften kann steuerlich insbesondere nur dann anerkannt werden, wenn diesbezüglich jeweils eine hinreichende eigenbetriebliche Veranlassung der beteiligten Gesellschaften vorliegt.
3. Waren für den Abschluss bzw. die Durchführung des Vertrags gesellschaftsrechtliche Gründe ausschlaggebend, sind die Gewinnausgleichszahlungen zwischen den beteiligten Schwesterkapitalgesellschaften regelmäßig als verdeckte Gewinnausschüttungen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu beurteilen. Die steuerrechtliche Anerkennung der Gewinngemeinschaft hängt entscheidend davon ab, ob der Vertrag und seine Durchführung im Rahmen einer inhaltlichen Prüfung der Fremdüblichkeit das Gleichgewicht der beiderseitigen Verpflichtungen erkennen lassen (Ausführungen zu Sinn und Zweck der Vereinbarung einer Gewinngemeinschaft). Jeder Vertragspartner muss hierzu in absehbarer Zeit die Aussicht einer angemessenen Gegenleistung haben, also zumindest auf Umwegen ebenso von der Gewinnpoolung profitieren.
3. Ein Gewinngemeinschaftsvertrag zwischen zu einem finanziell angeschlagenen Konzern gehörenden Schwesterkapitalgesellschaften ist gesellschaftsrechtlich veranlasst und deswegen nicht steuerlich anzuerkennen, wenn unter anderem
- er nur aus der übereinstimmenden Interessenlage der Muttergesellschaft heraus zu erklären ist,
- aufgrund der bereits bestehenden Verlustübernahmeverpflichtung der Mutterkapitalgesellschaft kein betriebliches Bedürfnis der Tochterkapitalgesellschaft zum Abschluss eines Gewinngemeinschaftsvertrags im Hinblick auf den maßgeblichen Zweck der wirtschaftlichen Risikostreuung bestand,
- der vereinbarte Verteilungsschlüssel (im Streitfall: 1:1) angesichts der ausschließlichen Maßgeblichkeit der Handelsbilanzgewinne bereits bei Vertragsbeginn nicht angemessen war, weil insbesondere die fehlende Berücksichtigung von Sondereffekten der Situation einer Tochterkapitalgesellschaft und deren betrieblichen Interessen im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs nicht annähernd Rechnung getragen hat und der Vertrag nach dem Gesamtbild der Verhältnisse insgesamt gesehen im Interesse lediglich der anderen am Vertrag beteiligten Schwesterkapitalgesellschaft abgeschlossen worden ist,
- bei der Durchführung des Gewinngemeinschaftsvertrags gleichwohl Sondereffekte berücksichtigt worden sind und der Vertrag damit nicht wie vereinbart durchgeführt worden ist,
- keine klare und eindeutige Gewinnverteilung vereinbart worden ist, wenn der Vertrag eine Klausel enthält, wonach der Gewinn in anderer Weise auf Basis eines Gutachtens eines gemeinschaftlich bestimmten Wirtschaftsprüfers festzusetzen ist, wenn sich der Gewinnverteilungsschlüssel aufgrund der Entwicklung der Verhältnisse als nicht mehr angemessen erweist, und wenn somit beliebige Möglichkeiten zur Gewinnverlagerung bestehen,
- sich eine endgültige Nachteilhaftigkeit des Vertrags für eine beteiligte Gesellschaft herausstellt und diese den Vertrag gleichwohl nicht kündigt.
4. Der Senat kann offen lassen, ob ein Gewinngemeinschaftsvertrag im Einzelfall und auch innerhalb eines Konzerns steuerrechtlich anerkannt werden kann.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 1, 3 S. 2; AktG § 292 Abs. 1 Nr. 1, §§ 293-294; BGB § 705; EStG § 4 Abs. 4
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Anerkennung eines Vertrages über die Bildung einer Gewinn- und Verlustgemeinschaft (Gewinngemeinschaftsvertrag).
[…] Zur Wahrung des Steuergeheimnisses wird auf die Darstellung des Tatbestandes in der Revisionsentscheidung (BFH, Urteil vom 22. Februar 2017 – I R 35/14 –, BFHE 258, 1, BStBl II 2018, 33) v...