Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung einer wesentlichen Beteiligung an einer GmbH zwischen Ehegatten zum Preis von 1 DM. Einkommensteuer 1996
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Übertragung einer wesentlichen Beteiligung an einer in der Krise befindlichen GmbH zwischen Ehegatten zum symbolischen Preis von 1 DM kann als entgeltlich beurteilt werden und zur Entstehung eines Veräußerungsverlustes nach § 17 EStG führen, wenn die Anteile nach den Gesamtumständen tatsächlich wertlos waren und auch ein fremder Dritter nicht mehr als 1 DM bezahlt hätte.
2. Aus dem Umstand allein, dass der Veräußerer die Anteile nur seiner Ehefrau zum Erwerb angeboten hat, kann nicht auf die Unentgeltlichkeit der Anteilsübertragung geschlossen werden. Die Übertragung auf die Ehefrau und die damit verbundene Ausnutzung der Verlustrealisierungsmöglichkeit nach § 17 EStG stellen auch keinen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) dar.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; AO § 42
Tenor
1.Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2002 wird der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 22. Mai 2001 dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuerschuld auf DM Null herabgesetzt wird.
2.Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3.Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4.Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
5.Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) im Streitjahr 1996.
Der Kläger war neben dem Zeugen … Gründungsgesellschafter der … GmbH (im Folgenden GmbH). Die GmbH ist durch Vertrag vom 13. Januar 1995 mit einem Stammkapital in Höhe von DM 450.000,– gegründet worden, wovon der Kläger eine Stammeinlage in Höhe von DM 150.000,– übernommen hatte. Bei der GmbH handelt es sich um eine Holding, die keinen eigenen aktiven Geschäftsbetrieb unterhält. Die Geschäftstätigkeit beschränkt sich auf das Halten und Verwalten von Beteiligungen und die Gewährung von Darlehen. Durch Vertrag vom 20. Juni 1995 wurde das Stammkapital um DM 300.000,– auf DM 750.000,– erhöht, wovon der Kläger einen weiteren Anteil in Höhe von DM 100.000,– übernommen hatte. Mit Datum vom 23. Dezember 1996 schloss der Kläger sodann mit seiner (damaligen) Ehefrau, der Zeugin …, einen notariell beurkundeten Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag ab, worin er seine Anteile auf seine Ehefrau zu einem Kaufpreis von DM 1,– übertrug.
Mit Vertrag vom 21. März 1997 beschlossen die Gesellschafter – wobei die Ehefrau des Klägers als Gesellschafterin von diesem vertreten wurde – eine weitere Erhöhung des Stammkapitals um DM 600.000,– auf dann DM 1.350.000,–, wovon der Kläger eine neue Stammeinlage in Höhe von DM 200.000,– übernahm.
Mit Vertrag vom 25. September 1998 wurde sodann von den Gesellschaftern – wobei der Kläger wiederum seine Ehefrau vertreten hat – aufgrund des aufgelaufenen Verlustvortrages und des für das Geschäftsjahr 1997 ausgewiesenen Jahresfehlbetrages eine Kapitalherabsetzung um DM 1.290.000,– und gleichzeitig eine Kapitalerhöhung um DM 300.000,– auf dann DM 360.000,– beschlossen. Der Kläger und seine Ehefrau beteiligten sich jedoch nicht an der Kapitalerhöhung, so dass sich der Anteil des Klägers am Stammkapital auf DM 8.900,– (2,5 %) und der seiner Ehefrau auf DM 11.100 (3 %) belief.
Mit Datum vom 18. November 1998 haben der Kläger und seine Ehefrau aufgrund der beabsichtigten Scheidung mehrere notariell beurkundete Verträge abgeschlossen; neben einem Ehe- und Auseinandersetzungsvertrag, einer Erbvertragsaufhebung, einem Pflichtteilsverzichtsvertrag und einem Grundstückskaufvertrag auch einen Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag über die GmbH-Anteile, wodurch dem Kläger die von seiner Ehefrau gehaltenen Geschäftsanteile von DM 11.100,– wiederum zu einem Kaufpreis von DM 1,– übertragen worden sind.
Nach den beim Beklagten eingereichten Bilanzen hat die GmbH zum 31. Dezember 1995 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von DM 258.165,44 und zum 31. Dezember 1996 in Höhe von DM 495.776,45 ausgewiesen. Nach einer Mitteilung über den gemeinen Wert auf den 31. Dezember 1995 vom 03. September 1997 wurde für je DM 100,– des Stammkapitals ein Wert von DM 0,– seitens des Beklagten für die Anteile festgestellt.
In seiner und der der Zeugin … Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996 erklärte der Kläger einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG aus der Veräußerung von Anteilen an der GmbH in Höhe von DM 252.989,–. Der Beklagte ließ den erklärten Verlust letztlich – zuletzt im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1996 vom 22. Mai 2001 – unberücksichtigt, da es sich bei der Anteilsübertragung auf die Ehefrau um ...