Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.01.1996; Aktenzeichen V R 6/95)

 

Tenor

I. Unter Abänderung der Umsatzsteuerbescheide für 1990 und 1991 vom 18. Mai 1993 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17. April 1993 wird die Umsatzsteuer 1990 auf 17.628 DM und die Umsatzsteuer 1991 auf 27.120 DM festgesetzt.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist für den Kläger hinsichtlich der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar; der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) vermietete Wohnräume „zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält” und daher die Vermietung nach § 4 Nr. 12 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht von der Umsatzsteuer (USt) befreit ist.

Der Kl. schloß am 18. Dezember 1990 mit dem Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Landratsamt …, einen schriftlichen Vertrag über die Vermietung dreier möblierter Appartements auf dem Grundstück … in … zu dem Zweck der Unterbringung von Aus- und Übersiedlern. Eine Belegung der Zimmer sollte sich nach dem jeweiligen Zimmerbedarf des Landes Baden-Württemberg richten. Als Mietpreis waren 23 DM einschließlich aller Nebenkosten (u.a. Energiekosten und Bettwäsche) und Mehrwertsteuer pro Person und Tag vereinbart. Nach § 4 des Vertrages konnte der Vertrag täglich vom Land Baden-Württemberg auf den Vormittag des folgenden Tages (außer Samstag, Sonntag und Feiertag) – auch beschränkt auf einen Teil der untergebrachten Personen – gekündigt werden. Durch Änderungsverträge vom 26. August 1992 und 21. Dezember 1993 wurde obiger Mietpreis zuerst auf 15 DM und dann auf 12 DM abgeändert.

Der Mietvertrag besteht auch heute noch. Im März 1994 verkaufte der Kl. das Grundstück.

Das beklagte Finanzamt (FA) unterwarf entgegen der USt-Erklärung des Kl. die Mietumsätze aus dem Vertrag mit dem Land Baden-Württemberg der USt, weil es die Auffassung vertritt, es handle sich um die Vermietung von Wohnräumen, die der Kl. zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithielt (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG). Der Einspruch hiergegen blieb erfolglos.

Das FA führte in der Einspruchsentscheidung vom 17. April 1993 aus, maßgebend für die Frage, ob ein kurzfristiges oder ein längerfristiges Bereithalten von Wohnräumen anzunehmen sei, sei die aus äußeren Umständen ableitbare Absicht des Unternehmers. Hierzu seien insbesondere die Bestimmungen des Mietvertrages heranzuziehen. Sei hiernach eine Kündigung vor Ablauf von sechs Monaten möglich, seien die Mieteinnahmen nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG steuerpflichtig. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) komme es nicht auf die tatsächliche Dauer der Vermietung an. Das Argument des Kl., wegen der getätigten Investitionen sei von vornherein eine längerfristige Vermietung geplant gewesen, könne daher keinen Einfluß auf die rechtliche Beurteilung haben. Die sechsmonatige Bindungsdauer sei ausschließlich auf der Seite des Vermieters erforderlich, so daß die in § 4 des Vertrages vorgesehene tägliche Kündigungsmöglichkeit des Mieters als solche noch nicht zur USt-Pflicht führe. Nach § 5 des Vertrages würden hinsichtlich des Vermieters, soweit nichts anderes bestimmt sei, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gelten. Danach sei bei einem Mietverhältnis über Wohnraum die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats für den Ablauf des übernächsten Monats zulässig (§ 565 Abs. 2 BGB). Da somit eine Kündigungsmöglichkeit unter sechs Monaten von Seiten des Vermieters vereinbart worden sei, sei von einer kurzfristigen Vermietung auszugehen. Hiervon sei auch im Mietvertrag ausgegangen worden, wo es in § 2 heiße: „Der Mietpreis beträgt 23 DM (bzw. 15 DM) einschließlich aller Nebenkosten und Mehrwertsteuer”.

Mit der Klage macht der Kl. wie schon zuvor geltend, er habe die Appartements zur langfristigen Unterbringung der Aus- und Übersiedler bereitgehalten. Er sei vom Landratsamt … dazu gedrängt worden, das Anwesen … zu erwerben und an das Land Baden-Württemberg zum Zweck der Unterbringung der Aus- und Übersiedler zu vermieten. Ihm sei vom Landratsamt zugesichert worden, daß die Anmietung der Appartements auf längere Dauer angelegt sei.

Der Kl. legte die Ablichtung eines Schreibens des Landratsamts Rottweil vom 20. November 1992 an die „Betreiber von Übergangseinrichtungen im Landkreis …” vor, in welchem das Landratsamt zur „Mehrwertsteuerpflicht bei Ausweichquartieren für Aussiedler” Stellung nahm und u.a. folgendes ausführte:

„Bei Abschluß der Verträge in den Jahren 1989/90 war klar abzusehen, daß der Aufenthalt der Aussiedler in den Übergangsquartieren mindestens ein bis zwei Jahre dauerte. Wir mußten die Verträge auf Anweisung des Innenministeriums jedoch mit einer täglichen Kündigungsfrist versehen, weil in einer Reihe von Landkreisen absehbar war, daß größere bundes- oder landeseigene Objekt...

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