Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzrechtsweg bei Anfechtung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA zur Einziehung von Rundfunkgebühren des RBB. Bestreiten des Erhalts von mehreren Rundfunkgebührenbescheiden sowie Mahnungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Vollstreckt ein FA als Landesfinanzbehörde Rundfunkgebühren des Rundfunks Berlin-Brandenburg und erlässt es hierzu eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung gegenüber einer Bank, bei der der Gebührenschuldner Konten unterhält, so ist bei Anfechtung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung insoweit der Finanzrechtsweg eröffnet.
2. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung, wenn der Gebührenschuldner den Erhalt mehrerer Rundfunkgebühren-Bescheide des RBB bestreitet; auf das Fehlen eines Leistungsbescheids kann sich der Vollstreckungsschuldner auch gegenüber der um Vollstreckung ersuchten Finanzbehörde berufen.
3. Da es sich beim Bestreiten des Zugangs von Bescheiden um eine negative Tatsache handelt, ist eine Substantiierung regelmäßig nicht möglich und daher zur Begründung von Zweifeln am Zugang eines Verwaltungsakts auch nicht notwendig. Zwar kann der Zugang eines Verwaltungsakts auch im Wege des Indizienbeweises nachgewiesen werden; ein Indizienbeweis betreffend den Zugang von drei Rundfunkgebührenbescheiden sowie von drei Mahnungen ist aber nicht erbracht, wenn aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervorgeht, wie die Schriftstücke adressiert waren.
Normenkette
VwVG §§ 5, 4 Buchst. b, § 3a Abs. 2 Buchst. a; VwVfG Bln § 5a S. 1; FGO § 33 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; AO § 250 Abs. 1 S. 2, §§ 309, 314
Tenor
Die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 27.07.2015 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung über den Einspruch vom 14.08.2015 aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung.
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg – Anstalt des öffentlichen Rechts – RBB – erließ am 01.09.2014, 01.10.2014 und 02.03.2015 gegenüber dem Antragsteller Bescheide über Rundfunkbeiträge für den Zeitraum Januar 2013 bis Dezember 2014. Der Antragsteller leistete darauf keine Zahlungen. Für die rückständigen Beiträge ergingen Mahnungen, die erfolglos blieben. Darauf hin ersuchte der RBB den Antragsgegner, die fälligen Beiträge nebst Nebenabgaben in Höhe von insgesamt 458,93 EUR gegenüber dem Antragsteller zu vollstrecken.
Auf eine Zahlungsaufforderung eines Vollziehungsbeamten des Antragsgegners erwiderte der Antragsteller am 09.06.2015, dass ihm gegenüber kein Leistungsbescheid für Rundfunkgebühren Januar 2013 bis Dezember 2014 bekanntgegeben worden sei, so dass es an einer Grundlage für eine Vollstreckung fehle.
Der Antragsgegner hielt diesen Einwand für unbeachtlich und erließ am 27.07.2015 gegenüber der B… Bank eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 486,97 EUR (einschl. 28,04 EUR Vollstreckungskosten) betreffend die Konten des Antragstellers. Die Verfügung blieb mangels pfändbaren Guthabens erfolglos. Am 31.07.2015 übersandte der Antragsgegner dem Antragsteller ein Doppel der Pfändungs- und Einziehungsverfügung, worauf dieser am 04.08.2015 eine Dienstaufsichtsbeschwerde erhob und am 14.08.2015 die Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung begehrte.
Am 18.08.2015 hat er einen Antrag nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – gestellt. Er wendet ein, ihm sei kein Beitragsbescheid bekanntgegeben worden.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 27.07.2015 aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Er hält den Antrag für unzulässig, weil kein Rechtsbehelfsverfahren gegen die Pfändungsund Einziehungsverfügung anhängig sei und für Rechtsbehelfe gegen Rundfunkgebührenbescheide nicht der Finanzrechtsweg eröffnet sei. Jedenfalls seien im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen begründet. Ein unsubstantiiertes Bestreiten des Zugangs eines Verwaltungsaktes reiche nicht aus. Im Übrigen seien Einwände gegen die Festsetzung des Rundfunkbeitrags nach § 256 Abgabenordnung – AO – gegen die zuständige Landesrundfunkanstalt zu richten.
Dem Gericht hat ein Hefter Vollstreckungsvorgänge vorgelegen, den der Antragsgegner für den Antragsteller unter dem Az. 17/H/07…/15 führt.
Der Antrag ist zulässig.
Der Finanzrechtsweg ist eröffnet.
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen als den § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesoder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der AO zu vollziehen sind. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Denn Bescheide über die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen waren nach § 10 Abs. 6 Satz 1 des Rundfunkb...