rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauleister. ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG (rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzung unter Suspendierung des Vertrauensschutzes nach § 176 AO)
Leitsatz (redaktionell)
Nachdem der BFH – entgegen BMF v. 16.10.2009, IV B 9-S 7279/0 – mit Urteil v. 22.8.2013, V R 37/10 entschieden hatte, dass das Reverse Charge Verfahren auf Bauträger grundsätzlich keine Anwendung findet, und der Gesetzgeber für den Fall, dass das Reverse Charge Verfahren angewendet worden ist und nun Bauträger aufgrund dieser Rechtsprechung für vor dem 15.2.2014 erbrachte steuerpflichtige Bauleistungen eine Steuererstattung beantragen, in § 27 Abs. 19 UStG mit Wirkung vom 31.7.2014 angeordnet hat, dass dann die Umsatzsteuerbescheide des leistenden Unternehmers entsprechend zu berichtigen sind und dass § 176 AO dieser Berichtigung nicht entgegensteht, ist ernstlich zweifelhaft, ob die rückwirkende Änderung der Steuerfestsetzung beim leistenden Unternehmer unter Suspendierung des Vertrauensschutzes nach § 27 Abs. 19 UStG nicht gegen das aus Art: 20 Abs. 3 GG abgeleitete Verbot der Rückwirkung von Gesetzen verstößt.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; AO § 176 Abs. 2; UStG § 27 Abs. 19 Sätze 1-2, § 13b Abs. 1-2; GG Art. 20 Abs. 3
Tenor
Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2009 vom 28.12.2014 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller hatte in 2009 Bauleistungen an die als Bauträger fungierende B. GmbH & Co. KG erbracht und diese unter Anwendung des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr.4, Abs. 2 Satz 2 UStG (in der für 2009 geltenden Fassung) netto abgerechnet; die Umsatzsteuer wurde von dem Leistungsempfänger als Steuerschuldner abgeführt. Mit geändertem Bescheid vom 18.12.2014 über Umsatzsteuer 2009 setzte der Antragsgegner die Steuer auf die der B. GmbH & Co. KG berechneten Entgelte gegenüber dem Antragsteller fest. Er verwies darauf, dass der Leistungsempfänger aufgrund der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.08.2013 (V R 37/10), wonach das Reverse Charge Verfahren auf Bauträger keine Anwendung finde, seine Steuerschuldnerschaft verneint und die Erstattung der geleisteten Umsatzsteuer verlangt habe. Da der Antragsteller eine entsprechende Rechnungsberichtigung abgelehnt habe, sei die Steuer auf der Grundlage des § 27 Abs. 19 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) in der Fassung des Gesetzes vom 25.7.2014 wie geschehen festzusetzen. Die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abgabenordnung (AO) stehe dieser Änderung gemäß § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG nicht entgegen. Der Einspruch gegen den Bescheid ist noch nicht beschieden, die Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner ab.
Zur Begründung seines Antrags macht der Antragsteller geltend, er sei nicht Steuerschuldner nach § 13 b UStG und sei es nach der Rechtsprechung des BFH nie gewesen. Die Berichtigung der Umsatzsteuererklärung des Leistungsempfängers könne daher nicht ohne weiteres zu einer Steuerschuld des leistenden Unternehmers führen. § 27 Abs. 19 UStG sei verfassungswidrig, da er die Inanspruchnahme des Leistenden rückwirkend anordne und den Vertrauensschutz nach § 176 AO aushebele. Außerdem sei die Regelung des § 27 Abs. 19 UStG nicht auf die in Rede stehenden Umsätze anwendbar, da die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorlägen. So treffe es nicht zu, dass er – der Antragsteller – und die B. GmbH & Co. KG davon ausgegangen seien, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG schulde, und diese Annahme sich als unrichtig herausgestellt habe. Vielmehr hätten sich die Vertragspartner an das Gesetz und die Verwaltungsanweisungen gehalten, nach denen auch Bauträger unter das Reverse Charge Verfahren fielen. Die Entscheidung des BFH vom 22.08.2013, wonach Bauträger nicht zum Kreis der Steuerschuldner nach § 13b UStG gehörten, sei somit ein klassischer Fall der Vertrauensschutzregelung nach § 176 Abs. 2 AO. Im Übrigen berücksichtige die Regelung des § 27 Abs.19 UStG nicht, dass eine Rechnungsberichtigung wegen Verjährung ggf. zivilrechtlich nicht mehr durchgesetzt werden könne und die wirtschaftlichen Folgen vom leistenden Unternehmer zu tragen seien.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 2009 vom 18.12.2014 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Vertrauensschutzregelung des § 176 AO stehe der Inanspruchnahme des Antragstellers nicht entgegen. Die Änderung sei nach § 164 Abs. 2 AO erfolgt und danach jederzeit möglich. Vor diesem Hintergrund habe ein Vertrauenstatbestand gar nicht erst entstehen können. Außerdem habe einer der Vertragspartner den Sachverhalt nachträglich verändert, so dass sich der Antragsteller nicht auf Treu und Glauben berufen könne. Im Übrigen erleide er keinen Vermögensschaden, soweit er di...