rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen einer Gaststätte bei unzureichender Dokumentation der aufzeichnungspflichtigen Bareinnahmen anhand einer Quantilsschätzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass Anlass zu einer Schätzung gegeben ist, wenn ein Gastwirt im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit nicht die gesetzlichen Aufzeichnungserfordernisse über die vollständige und zeitnahe Erfassung seiner nahezu ausschließlich bar zugeflossenen Betriebseinnahmen in entsprechender Anwendung des § 146 Abs. 1 S. 2 AO erfüllt hat und außerdem gewichtige Indizien dafür bestehen, dass der Gastwirt seine Betriebseinnahmen in den dem FA vorgelegten Aufzeichnungen nicht vollständig erfasst hat, und wenn somit neben der formellen Ordnungswidrigkeit auch eine sachliche (materielle) Unrichtigkeit der Aufzeichnungen wahrscheinlich ist.
2. Ermittelt ein Gastwirt zulässigerweise seinen Gewinn durch Einnahme-/Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, muss er zwar kein Kassenbuch, dafür aber nach Geldeingang chronologisch geordnete Aufzeichnungen führen, die über eine bloße Belegsammlung hinausgehen. Nur bei Vorlage solchermaßen geordneter und vollständiger Belege kann eine Einnahme-/Überschussrechnung für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen.
3. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass bei einer unzureichenden Dokumentation von aufzeichnungspflichtigen Bareinnahmen eines Gastwirts die von betriebsinternen Daten ausgehende Quantilsschätzung grundsätzlich eine sachgerechte Schätzungsmethode zur Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen darstellt und dass der Streuung der Rohgewinnabschlagsätze mit dem Ansatz eines 80 %-Quantils ausreichend Rechnung getragen ist, wenn saisonale Schwankungen, konjunkturelle Schwankungen oder sonstige in der Betriebsstruktur angelegte Besonderheiten von Gewicht weder geltend gemacht noch sonst erkennbar sind (gegen Beschluss des FG Berlin-Brandenburg v. 24.08.2016, 5 V 5089/16).
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; EStG § 4 Abs. 1, 3; AO § 162 Abs. 1, 2 Sätze 1-2, § 146 Abs. 1 S. 2, § 158; UStG § 22 Abs. 1
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller betrieb in den Jahren 2011 und 2012 (Streitjahre) zusammen mit seiner Ehefrau B. als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (fortan GbR) die Gaststätte „C.” in D.. Ihren Gewinn ermittelte die GbR gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in zulässiger Weise (unstrittig) durch Einnahmenüberschussrechnung (EÜR). Außerdem erzielte die GbR noch Vermietungseinkünfte aus der Vermietung einer Wohnung. Die Gaststätte wurde in den Vorjahren durch den Antragsteller als Einzelunternehmen geführt (Hinweis auf das Verfahren 4 V 4265/15). In den Streitjahren gab es keinen festen Schließungstag.
Die GbR wurde mit Vertrag vom 30.11.2010 zum 01.01.2011 gegründet. Der Antragsteller nahm seine Ehefrau unentgeltlich in sein bestehendes Einzelunternehmen auf. Zuvor war die Ehefrau jahrelang als Angestellte in der Gaststätte des Antragstellers tätig. Als Beteiligungsquote wurden 98 % als Anteil des Antragstellers und 2 % als Anteil der Ehefrau vereinbart. Gemäß § 8 des Vertrages sollte die GbR bis zum 31.12.2015 ohne Kündigungsrecht bestehen. Am 21.01.2011 schlossen die Gesellschafter einen Grundstücksübertragungsvertrag, nach dem das Grundstück E.-straße in D., auf dem sich auch die Gaststätte befindet, auf die GbR übertragen wurde.
Mit Vertrag vom 30.06.2013 wurde das Ende der GbR auf den 31.12.2013 festgelegt. Danach ist die Ehefrau zum 31.12.2013 aus der zweigliedrigen GbR ausgeschieden und ihr Gesellschaftsanteil dem Antragsteiler angewachsen. Seither führt der Antragsteller die Gaststätte wieder als Einzelunternehmen.
Mit Abgabe der Feststellungserklärung für 2011 erklärten die Gesellschafter Einkünfte i.H.v. 23.501 EUR (Rohgewinnaufschlagsatz [RGAS] 151 %) und beantragten eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende Gewinnverteilung von 8 % für den Antragsteller und 92 % für die Mitgesellschafterin B.. Mit Feststellungsbescheid vom 18.12.2012 wurden die Einkünfte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung antragsgemäß festgestellt.
Mit Abgabe der Feststellungserklärung für 2012 wurden Einkünfte i.H.v. 48.984 EUR (RGAS 181 %) erklärt, die entsprechend der vereinbarten Beteiligungsquote zu 98 % auf den Antragsteller und zu 2 % auf die Mitgesellschafterin B. aufgeteilt wurden. Mit Bescheid vom 17.04.2014 wurden die Einkünfte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung antragsgemäß festgestellt.
In den Feststellungserklärungen für 2011 und 2012 ist jeweils der Antragsteller als gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter der GbR bestellt (§ 183 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung [FGO].
Mit einer an die GbR als Inhaltsadressatin gerichteten Prüfungsanordnung vom 03.12.2014 wurde eine steuerliche Betriebsprüfung bei der GbR für die Streitjahre angeordnet, deren Ergebnisse im Ber...