rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Vorsteuerabzug wegen Steuerhinterziehung in einer vorgelagerten Leistungsbeziehung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Versagung des Vorsteuerabzugs wegen einer Bösgläubigkeit des im Einzel- und Großhandel mit Unterhaltungselektronik und Haushaltswaren tätigen Steuerpflichtigen und der Steuerhinterziehung des Vorlieferanten lässt sich – im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung – nicht allein mit der Vereinbarung niedriger Preise und einem phönixhaften Auftreten des Lieferanten in der für diesen bisher ungewohnten Branche begründen. Ebenso muss das Auslagern von Lager- und Transporttätigkeiten auf sog. Logistikunternehmen als eine im heutigen Wirtschaftsleben gängige Gestaltung keinen Argwohn gegen die Steuerehrlichkeit des Vorlieferanten begründen.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 2 S. 3; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Die Vollziehung der Bescheide über Umsatzsteuer-Vorauszahlungen Januar, Februar, April und Mai 2014 vom 12.08.2014 wird mit Wirkung vom Fälligkeitstag bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung über den Einspruch vom 15.08.2014 in Höhe von 27.428,97 EUR für Januar 2014, 29.386,92 EUR für Februar 2014, 15.128,41 EUR für April 2014 und 84.964,68 EUR für Mai 2014 aufgehoben.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 63 % der Antragstellerin und zu 37 % dem Antragsgegner auferlegt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsgegner zu Recht den Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Warenlieferungen versagt hat.

Die Antragstellerin wurde am 10.04.2008 gegründet und befasst sich mit dem Einzel- und Großhandel mit Unterhaltungselektronik und Haushaltswaren.

Ab Oktober 2013 bezog die Antragstellerin Ware, insbesondere Fernseher der Marke B., von der C. GmbH, deren Geschäftssitz sich in einem Ladengeschäft unter der Anschrift D.-straße in E. befindet. Diese GmbH wurde am 06.02.2006 gegründet und seit Gründung von Frau F. vertreten. Ihr Gegenstand lautet seit Gründung auf den Import und Export von und Groß- und Einzelhandel mit Waren verschiedener Art, z.B. Autozubehör. Gewerberechtlich ist seit dem 27.06.2011 der Groß- und Einzelhandel mit Haushaltswaren und Unterhaltungselektronik angemeldet. Entsprechende Dokumentkopien lagen der Antragstellerin vor, ebenso eine Kopie einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts G. für die C. GmbH vom 23.09.2013. In umsatzsteuerlicher Hinsicht ist die C. GmbH nach § 18 Abs. 2 Satz 3 Umsatzsteuergesetz – UStG – Jahreszahlerin. Die an die Antragstellerin gelieferten Waren lagerten nicht bei der C. GmbH, sondern bei einer Firma in einem Gewerbegebiet in H., von der sie durch Dritte zur Antragstellerin transportiert wurden. In den Streitzeiträumen stellte die C. GmbH der Antragstellerin über die Warenlieferungen Rechnungen über insgesamt 2.249.781,– EUR netto, in denen die im Antrag bezeichneten Vorsteuerbeträge ausgewiesen wurden. Wegen der Beträge im Einzelnen nimmt das Gericht auf die Anlage 5 zum Antragsschriftsatz Bezug.

Die Antragstellerin macht die Vorsteuerbeträge in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Streitzeiträume geltend. Den Voranmeldungen für die Monate Januar und Februar 2014 stimmte der Antragsgegner zu.

Am 14.05.2014 durchsuchte das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen – Steuerfahndungsstelle – Steufa – wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer 2012 die Geschäftsräume der Antragstellerin. Dieses Strafverfahren wurde am 23.07.2014 auf die Streitzeiträume erweitert.

Mit geänderten bzw. erstmaligen Bescheiden über Umsatzsteuer Januar, Februar, April und Mai 2014 vom 12.08.2014 versagte der Antragsgegner der Antragstellerin u.a. die Vorsteuer aus den Rechnungen der C. GmbH und setzte davon ausgehend die Vorauszahlungen fest, was zu den im Tenor bezeichneten Zahllasten führte. Der Antragsgegner berief sich darauf, dass den streitbefangenen Rechnungen keine Lieferungen zugrunde lägen.

Dagegen legte die Antragstellerin am 18.08.2014 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Den Aussetzungsantrag lehnte der Antragsgegner am 22.09.2014 ab und erließ am 25.09.2014 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber den Geschäftsbanken der Antragstellerin. Zur Begründung seiner Ablehnungsverfügung verwies der Antragsgegner darauf, dass Vorlieferantin der C. GmbH eine I. GmbH gewesen sei, die wiederum die Ware von einer litauischen Gesellschaft bezogen habe. Die I. GmbH habe die Ware unter Einkaufspreis und höchstwahrscheinlich unter Herstellerpreis an die C. GmbH weiter geliefert. Diese eigentlich unwirtschaftliche Vorgehensweise sei nur wirtschaftlich, wenn von Anfang an geplant gewesen sei, die Umsatzsteuer zu hinterziehen. Dies sei geschehen, denn die I. GmbH sei seit September 2013 nicht mehr auffindbar, ein Geschäftsführer nicht zu ermitteln. Die Umsatzsteuer sei weder angemeldet, noch bezahlt worden. Die I. GmbH sei ein missing trader. Die weiter hinten in der Liefer...

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