rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der Zuständigkeitsübertragung durch Vorstandsbeschluss der Bundesagentur für Arbeit Nr. 12/2022 v. 27.1.2022. Aufhebung einer unter Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit erlassenen Einspruchsentscheidung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: III R 4/24)
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Vorstandsbeschluss der Bundesagentur für Arbeit Nr. 12/2022 v. 27.1.2022 ist unbestimmt, soweit er die Zuständigkeit der Familienkasse Zentraler Kindergeldservice in Sachsen-Anhalt Nord, Standort Magdeburg (ZKGS), für Kindergeld bei Personen, deren Daten besonders schützenswert sind, betrifft.
2. Da es auch nicht möglich ist, eine geltungserhaltende Reduktion dahingehend vorzunehmen, dass der ZKGS jedenfalls für Menschen mit Behinderung zuständig geworden ist, ist der Vorstandsbeschluss unwirksam und nichtig.
3. Da der ZKGS für den Erlass der Einspruchsentscheidung im Streitfall sachlich nicht zuständig war, ist die Einspruchsentscheidung formell rechtswidrig. Verstöße gegen die sachliche Zuständigkeit führen auf Anfechtung hin zur Aufhebung.
Normenkette
FGO § 63 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1; FVG § 5 Nr. 1 Abs. 11 S. 4; AO § 367 S. 1
Tenor
Die Einspruchsentscheidung der Familienkasse Zentraler Kindergeldservice Magdeburg vom 21.11.2023 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Änderung der Höhe des an den Träger von Sozialleistungen zu zahlenden Teils des Kindergelds. Vorab ist zu klären, ob die beklagte Familienkasse passivlegitimiert ist (§ 63 Finanzgerichtsordnung – FGO –), und in diesem Zusammenhang, ob der Familienkasse Zentraler Kindergeldservice Magdeburg bestimmte Aufgaben wirksam zugewiesen worden sind.
I.
Zum 01.05.2013 wurden durch Verbundbildung die 102 örtlichen Familienkassen der Bundesanstalt für Arbeit zu nur noch 14 Familienkasse zusammengefasst. Nachfolgend wurden bestimmten Familienkassen bestimmte Fälle mit näher definiertem Auslandsbezug zu bestimmten Staaten zugewiesen.
1.
Mit Beschluss des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit 12/2022 vom 27.01.2022 zur Gründung des Zentralen Kindergeldservice (ZKGS) als weitere Familienkasse für Fälle mit besonderen Schutzbedarfen wurde die „Familienkasse Zentraler Kindergeldservice in Sachsen-Anhalt Nord (Standort Magdeburg)”, die beklagte Familienkasse, ab 01.02.2022 gegründet.
Gemäß Anhang zum Vorstandsbeschluss 12/2022 vom 27.01.2022 sollte der tatsächliche Vollzug des Vorstandsbeschlusses in mehreren Stufen erfolgen und Einzelheiten zu den verschiedenen Stufen durch gesonderte Weisungen geregelt werden. Weiter ist in „2.1. Zuständigkeit für besondere Personengruppen” für die neu gegründete Familienkasse aufgeführt:
„2.1.5
Personen, deren Daten – und damit der gesamte Fall – besonders schützenswert sind. Dies ist z.B. gegeben, wenn
Darüber hinaus ist der Zentrale Kindergeldservice für weitere besonders schützenswerte Fälle zuständig. Um den Schutz dieser Fälle zu gewährleisten, erfolgt keine abschließende Aufzählung.”
2.
Zur Durchführung erfolgten die „E-Mail-Infos” vom 27.09.2022 und vom 24.11.2022. Darin wird erwähnt, dass die Vorstandsvorlage einen Übergangszeitraum bis 30.06.2023 vorsehe.
Gemäß Email vom 27.09.2022 sollte die Zuständigkeit für neu eingehende Rechtsbehelfsverfahren (Einsprüche und Klagen) in Fällen mit Schutzkennzeichen T auf den ZGKS übergehen, um die anstehenden Zuständigkeitswechsel zu minimieren und bereits mit neuer Zuständigkeit nach außen aufzutreten. Gleichzeitig gehe hierbei auch der zu Grunde liegende Kindergeldfall in die Zuständigkeit des ZKGS über. Die Übernahme der weiteren Fälle mit dem Schutzkennzeichen T sollte weiter stufenweise und ebenfalls nach Endziffern erfolgen. Der ZGKS sei für alle Fälle zuständig, in denen ab 04.10.2022 ein neues Einspruchs- oder Klageverfahren anhängig werde.
Gemäß Email vom 24.11.2022 sollte die Zuständigkeit des ZKGS erneut erweitert werden. Dieser übernehme zum 01.12.2022 alle offenen Bearbeitungsvorgänge mit Schutzkennzeichen T, die bis 30.11.2022 in den regionalen Familienkassen eingegangen seien. Die Übernahme beinhalte ebenfalls laufende Einspruchs- und Klageverfahren, sofern diese nicht kurz vor Abschluss stünden.
II.
Der Sohn C… der Klägerin, geboren am xx.xx.197x, wohnt in einer stat...