Entscheidungsstichwort (Thema)
Wertfortschreibung nach Wegfall einer Mietpreisbindung. keine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung wegen Unterlassens der Wertfortschreibung aufgrund der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach Wegfall der Mietpreisbindung für ein Grundstück ist aufgrund der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Wertfortschreibung durchzuführen (vgl. FG Berlin-Brandenburg v. 11.06.2014 3, K 3312/10).
2. Das Unterlassen einer nach dem Wegfall der Mietpreisbindung bereits früher gebotenen Wertfortschreibung führt nicht zur nachträglichen Entstehung eines Fehlers des unveränderten Einheitswerts.
3. Eine Änderung der für die Einheitsbewertung relevanten tatsächlichen Verhältnisse macht einen in früherer Zeit auf einen vor dem Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ergangenen Einheitswert nicht fehlerhaft.
Normenkette
BewG § 22 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 3 Nrn. 1-2
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 19.10.2016; Aktenzeichen II R 3/15) |
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, wie weit rückwirkend ein Einheitswert geändert werden kann, und vor diesem Hintergrund um das Vorliegen einer fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung.
I.
Das im Westteil Berlins belegene Grundstück unterlag zunächst der Beschlagnahme durch die Britische Besatzungsmacht, später war die Vermietung an Bundesbedienstete vorbestimmt mit einer Mietpreisbeschränkung auf 2,37 DM/m². Die Mietspiegelwerte 1964 lagen bei 3,75 DM/m² für Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften (EW-A Bl. 33).
Die Erklärung eines Rechtsvorgängers der Kläger zur Hauptfeststellung des Einheitswerts auf den 01.01.1964 ging am 07.03.1968 beim seinerzeitigen Finanzamt C. ein (EW-A Bl. 1). Die darin geschätzte Jahresrohmiete geht von 2,57 DM/m² aus. Im Einheitswertbescheid auf den 01.01.1964 wurde ein Abschlag von 20 % aufgrund der Berlin-Ermäßigung vorgenommen und ein Einheitswert von 38.000 DM festgestellt.
Mit Einheitswertbescheid – Wertfortschreibung – auf den 01.01.1994 an einen Rechtsvorgänger der Kläger vom 04.02.1994 wurde ein Einheitswert von 47.500 DM festgestellt (EW-A Bl. 11). Die Erhöhung ergab sich aufgrund des Wegfalls der Berlin-Ermäßigung bei gleichbleibender Jahresrohmiete.
Nach anderweitiger Zurechnungsfortschreibung erwarben die Kläger je zu ½ mit notariellem Vertrag vom 29.10.2001 das Einfamilienhaus. Durch Einheitswertbescheid – Zurechnungsfortschreibung – auf den 01.01.2002 vom 22.03.2002 wurde ihnen die wirtschaftliche Einheit entsprechend zu je ½ zugerechnet; dabei wurde mitgeteilt, der Einheitswert betrage wie bisher 47.500 DM = 24.286,36 EUR (EW-A Bl. 22).
Mit notariellem Vertrag vom 02.06.2010 übertrug der Kläger seine Hälfte schenkweise auf die Klägerin. Mit Einheitswertbescheid – Zurechnungsfortschreibung – auf den 01.01.2011 vom 19.10.2010 wurde die wirtschaftliche Einheit nunmehr der Klägerin zu 1/1 zugerechnet. Dabei wurde wieder die vorgenannte Mitteilung zum fortbestehenden Einheitswert gemacht (EW-A Bl. 28).
II.
Das beklagte Finanzamt – FA – teilte der Klägerin mit Schreiben vom 06.03.2013 mit, das Grundstück habe bisher einer Nutzungs- und Ertragseinschränkung unterlegen, die nunmehr weggefallen sei, was eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse darstelle, weswegen eine Fortschreibung des Einheitswerts zu prüfen sei. Ferner sei vermutlich das Dachgeschoss ausgebaut worden, was ebenfalls zu einer Fortschreibung führen könne. Es bat um bestimmte Angaben. Mit Schreiben vom 21.06.2013 forderte das FA die Klägerin zur Abgabe einer Feststellungserklärung auf den 01.01.2006 auf, die nicht abgegeben wurde. Mit Schreiben vom 01.10.2013 teilte das FA mit, soweit der Wegfall der Mietpreisbeschränkung bereits früher erfolgt sei, könne eine Fortschreibung gleichwohl nur auf den 01.01.2006 erfolgen, weil für frühere Zeitpunkte Verjährung eingetreten sei.
Mit Einheitswertbescheid – Wertfortschreibung – auf den 01.01.2006 vom 19.12.2013 an die Kläger wurde der Einheitswert auf 208.900 DM = 106.808 EUR festgestellt (EW-A Bl. 46, FG-A 3 K 3139/14 Bl. 23). Der Wert wurde schätzweise im Sachwertverfahren ermittelt. Die Feststellung ist vorläufig (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung – AO –) hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens verfassungsgemäß sind.
III.
Der Einspruch der Kläger vom 02.01.2014 wurde trotz Aufforderung des FA vom 08.01.2014 nicht begründet und mit Einspruchsentscheidung vom 16.05.2014 als unbegründet zurückgewiesen (FG-A Bl. 5).
IV.
Hiergegen richtet sich die Klage vom 16.06.2014.
Auch im Klageverfahren haben die Kläger keine Feststellungserklärung vorgelegt und keine Angaben zum Grundstück oder zur Ausstattung des Hauses gemacht. Zur Berechtigung zur Schätzung und zum Schätzungsergebnis nehmen sie nicht Stellung. Sie tragen vor, die Voraussetzungen des § 22 BewG (Fortschreibungen) lägen nicht vor, außerdem sei Verjährun...