Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Klage gegen einen Nullbescheid mit dem Ziel der Berücksichtigung von Verlusten auch bei bereits eingeleitetem Verfahren der Verlustfeststellung nach § 10d EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurde die Einkommensteuer trotz einer nur teilweisen Anerkennung der vom Steuerpflichtigen geltend gemachten Verluste (hier: nach § 17 Abs. 2, 4 EStG) bereits auf 0 EUR festgesetzt und will der Steuerpflichtige die vollständige Anerkennung der geltend gemachten Verluste durchsetzen, so muss er aufgrund der der Neufassung des § 10d Abs. 4 S. 4 und 5 EStG i. d. F. des JStG 2010 infolge der damit verbundenen gesetzgeberischen Neukonzeption mit der Folge des Vorrangs der Anfechtung des Nullbescheids mit Einspruch und ggf. Klage gegen den auf 0 EUR lautenden Einkommensteuerbescheid vorgehen.
2. Eine Beschwer als Voraussetzung für eine zulässige Klage gegen den auf 0 EUR lautenden Einkommensteuerbescheid ist in diesem Fall auch dann gegeben, wenn nachträglich auch ein Verfahren betreffend eine gesonderte Verlustfeststellung nach § 10d EStG zu einem Zeitpunkt eingeleitet wurde, in dem die Einkommensteuerfestsetzung noch verfahrensrechtlich offen war, und wenn das Verfahren betreffend die gesonderte Verlustfeststellung noch andauert (Anschluss an FG Düsseldorf, Beschluss v. 16.2.2016, 10 K 3686/13 F).
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2, § 97; EStG 2012 § 10d Abs. 4 Sätze 4-5, § 17 Abs. 2, 4
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Klage nicht mangels Beschwer unzulässig ist.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil oder dem verfahrensabschließenden Beschluss vorbehalten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe eines Auflösungsverlusts gemäß § 17 EStG; vorab ist zu klären, ob sich die Klage zurecht gegen den Einkommensteuerbescheid richtet oder ob das Begehren mit dem beim Finanzamt – FA – gestellten Antrag auf Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids verfolgt werden müsste, weil der angefochtene Einkommensteuerbescheid eine Steuer von 0 EUR festsetzt und den Kläger damit nicht beschwert.
I.
Der Kläger war an der B… GmbH beteiligt, über deren Vermögen durch Beschluss vom 09.03.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Nach Auffassung des beklagten FA ergab sich (erst) im Laufe des Streitjahrs 2012 Klarheit, in welcher Höhe der Kläger aus Gesellschafterdarlehen in Anspruch genommen werden würde.
II.
Mit den Bescheiden vom 19.12.2013 (unter Vorbehalt der Nachprüfung) und vom 26.03.2014 (Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen, mit Einspruch angefochten) berücksichtigte das FA zunächst keinen Auflösungsverlust. Der letztgenannte Bescheid gelangte bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 28.108 EUR und einem zu versteuernden Einkommen von 23.621 EUR zu einer Einkommensteuer von 3.707 EUR. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.03.2015 erkannte das FA den Auflösungsverlust dem Grunde nach an, jedoch nicht in der vom Kläger erstrebten (312.095 EUR, aufgrund Teileinkünfteverfahren 60 % entsprechend 187.257,27 EUR, gerundet 187.258 EUR, ESt-A Bl. 47) Höhe, sondern nur teilweise (in Höhe von 38.796 EUR, davon 60 %, mithin 23.277,60 EUR, gerundet 23.278 EUR). Die Einspruchsentscheidung vom 24.03.2015 tenoriert dahingehend, dass die Einkommensteuer 2012 auf 0 EUR festgesetzt wird; der Vorbehalt der Nachprüfung wird aufgehoben. In der Begründung ist ausgeführt, dem Einspruch werde zum Teil entsprochen, im Übrigen sei er unbegründet. Die der Einspruchsentscheidung als Anlage beigefügte Berechnung weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 23.278 EUR, andere Einkünfte in unveränderter Höhe von 28.108 EUR, damit einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 4.830 EUR und ein zu versteuerndes Einkommen von 343 EUR aus. Einen Verlustfeststellungsbescheid erließ das FA nicht.
III.1.
Mit seiner Klage vom 24.04.2015 gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 26.03.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.03.2015 begehrt der Kläger weiterhin die Anerkennung eines Auflösungsverlusts in Höhe von 187.258 EUR (FG-A Bl. 62), um so mittelbar (anschließend) eine Verlustfeststellung auf den 31.12.2012 in Höhe von 159.150 EUR erreichen zu können.
2.
Auf Hinweis des Berichterstatters, dass die Verfahrenslage unklar sei und die Streitfrage möglicherweise in Rahmen der Verlustfeststellung geklärt werden müsse, beantragte der Kläger beim FA am 01.06.2015 vorsorglich den Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids auf den 31.12.2012 mit einer Verlustfeststellung in Höhe von 159.150 EUR. Über diesen Antrag hat das FA noch nicht entschieden.
3.
Die Beteiligten gehen übereinstimmend von der Zulässigkeit der Anfechtung des „Nullbescheids” aus, sie streiten lediglich in der Sache.
IV.
Die Einkommensteuerakte Band 2 (ab 2010) lag vor.
Entscheidungsgründe
I.1.
Der Senat erachtet es als sachgemäß, über die Frage, ob die Klage unter dem Gesichtspunkt der Beschwer (§ 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –) durch den hier vorliegenden „Nullbescheid” zulässig ist, vorab durch Zwischenurteil (§ ...