Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Vollstreckung von Rundfunkgebühren durch ein Finanzamt im Wege einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung betreffend Einkommensteuererstattungsansprüche. Behandlung einer bereits vor Klageerhebung erledigten Anfechtungsklage als Fortsetzungsfeststellungsklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Vollstreckt die Vollstreckungsstelle eines Finanzamts Rundfunkgebühren für einen Rundfunksender, erlässt es hierzu eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung hinsichtlich der Einkommensteuererstattungsansprüche des Gebührenschuldners gegenüber der zuständigen Veranlagungsstelle im eigenen Finanzamt und wird die gepfändete Forderung nach Durchführung der Einkommensteuerveranlagung eingezogen und ist der Pfandgegenstand mithin verwertet sowie die Vollstreckung beendet, so ist eine Anfechtungsklage gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung unzulässig, wenn sich die Pfändungs- und Einziehungsverfügung bereits vor Klageerhebung mit ihrer Verwirklichung erledigt hat; sie kann aber ggf. in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzudeuten sein.
2. Einwendungen des Schuldners gegen die (u. a. verfassungsrechtliche) Rechtmäßigkeit der vollstreckten Rundfunkbeitragsforderungen spielen als solche nach § 256 AO für die Frage der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung i. S. d. §§ 309, 314 AO keine Rolle, sondern sind im Rahmen der Anfechtung der Rundfunkgebührenbescheide bzw. der Widerspruchsbescheide im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen.
3. Für die Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist es unerheblich, dass die Gebührenbescheide der Schuldnerin nicht förmlich zugestellt, sondern formlos per einfachen Brief bekanntgegeben worden sind; etwas anders würde nur geltend, wenn die Gebührenbescheide der Schuldnerin nicht wirksam geworden wären, insbesondere wenn sie nicht wirksam bekanntgegeben oder nichtig wären.
4. Die Vollstreckungsvoraussetzungen der §§ 249 ff. AO bilden eine eigenständige Regelung der Vollstreckung und schließen daher die Anwendung des Vollstreckungsrechts der ZPO aus, soweit sie eine eigene Regelung getroffen haben. Von daher bedarf es keiner förmlichen Titelzustellung nach § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO, sondern es genügt die formlose Bekanntgabe des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes. Die Festsetzungsbescheide erfüllen auch selbst die Funktion eines Vollstreckungstitels, ohne dass es eines weiteren gerichtlichen Titels, insbesondere eines Urteils bedarf.
5. Eine Nichtigkeit von Rundfunkgebührenbescheiden ergibt sich sich weder daraus, dass kein Namen unter den Bescheiden steht, noch daraus, dass der Rundfunksender nach Auffassung der Klägerin keine Behörde ist. Unerheblich für die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts ist insbesondere, ob er von einer unwirksam gegründeten Behörde erlassen wurde oder die Bestellung des den Verwaltungsakt erlassenden Organs unwirksam war.
Normenkette
VwVG § 35 S. 1, § 37 Abs. 5; VwVfG Bln § 5; VwVfG Bln § 8 Abs. 1 S. 1; AO § 250 Abs. 1 S. 2, §§ 309, 314, 249, 251 Abs. 1 S. 1, §§ 256, 254 Abs. 1-2; FGO § 100 Abs. 1 S. 4; ZPO § 750 Abs. 1 S. 1; RBStV § 9 Abs. 2 Nr. 5, § 10 Abs. 1 S. 6
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Vollstreckung einer Forderung des Rundfunk B… durch den Beklagten (Finanzamt – FA – C…) im Wege der Amtshilfe durch Pfändung und Einziehung einer Einkommensteuer-Erstattungsforderung der Klägerin gegen den Beklagten.
Mit Bescheid vom 01.09.2014 setzte der Rundfunk B… den Rundfunkbeitrag für das 2. Quartal 2014 i. H. v. 53,94 EUR zzgl. 8,00 EUR Säumniszuschlag gegen die Klägerin fest.
Mit Bescheid vom 01.10.2014 setzte der Rundfunk B… den Rundfunkbeitrag für das 3. Quartal 2014 (53,94 EUR zzgl. Säumniszuschlag 8,00 EUR) fest.
Mit Schreiben vom 15.10.2014 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 01.10.2014 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – sei ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter.
Mit Bescheid vom 01.09.2015 setzte der Rundfunk B… den Rundfunkbeitrag für das 4. Quartal 2014 (53,94 EUR zzgl. Säumniszuschlag 8,00 EUR) fest und mit Bescheid vom 02.10.2015 den Rundfunkbeitrag für die erste drei Quartale 2015 (158,94 EUR zzgl. Säumniszuschlag 8,00 EUR).
Eine Mahnung für die in den vorgenannten Bescheiden festgesetzten Beträge zzgl. Mahngebühren übersandte der Rundfunk B… der Klägerin mit Schreiben vom 02.11.2015 (mit Zahlungsaufforderung für die rückständigen Beträge einschließlich Mahngebühr).
Die Klägerin führte mit Schreiben vom 26.11.2015 unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 02.10.2015 aus, die Eintreibung von Forderungen aus Verträgen zu Lasten Dritter sei unzulässig. Sie habe keine Leistungen des Rundfunk B… in Anspruch genommen und beabsichtige dies auch in Zukunft nicht zu tun. Dieses Schreiben wertete der Rundfunk B… als Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.10.2015.
M...