Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Pfändung des FA in ein ihm aus einer früheren Umsatzsteuerzahlung bekanntes Konto eines Rechtsanwalts ohne Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen. zulässige Anfechtung einer bereits erledigten Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht durch Anfechtungs-, sondern durch Fortsetzungsfeststellungsklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist dem Finanzamt infolge der früheren Überweisung von Umsatzsteuer durch einen Rechtsanwalt dessen private Bankverbindung bekannt, so ist es auch bei einer nicht bezahlten Abgabenforderung von weniger als 100 Euro (hier: 93 Euro) berechtigt, durch eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung alle Ansprüche des Klägers aus dieser privaten Kontoverbindung des Rechtsanwalts zu pfänden, ohne dass die Pfändung gegen das Grundrecht der informellen Selbstbestimmung, datenschutzrechtliche Bestimmungen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde. Der Rechtsanwalt hat keinen Anspruch darauf, dass die Behörde die aufgrund der früheren Überweisung des Rechtsanwalts erlangten Bankdaten löscht bzw. nicht speichert und nicht für eigene Vollstreckungszwecke nutzt bzw. verwertet.
2. Hat die Bank aufgrund der Pfändungs- und Überweisungsverfügung den geforderten Abgabenbetrag in voller Höhe an das FA gezahlt, ist der Pfandgegenstand damit verwertet und die Vollstreckung beendet, so kann der Schuldner gegen die erledigte Pfändungs- und Überweisungsverfügung zulässigerweise nicht mehr mit einer Anfechtungs-, sondern nur noch mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage vorgehen. Das für eine zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse ist in dem ideellen Rehabilitierungsinteresse des Schuldners an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu sehen, weil Kontopfändungen typischerweise, insbesondere wegen Vermerks bei der SCHUFA, nachteilige Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit und Stellung des Klägers als Rechtsanwalt und Organ der Rechtspflege haben.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; BDSG § 14; AO § 281 Abs. 1, § 309 Abs. 1, § 314 Abs. 1-2, §§ 315, 5, 88 Abs. 1, §§ 254, 249 Abs. 2 S. 1, § 284 Abs. 1, §§ 88a, 30 Abs. 1 Nr. 1; BbgDSG § 13 Abs. 1, § 3 Abs. 2 Nrn. 2, 7, § 93 Abs. 1, § 261; FGO § 40 Abs. 1-2, § 100 Abs. 1 S. 4
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 21.03.2017; Aktenzeichen VII B 131/16) |
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Wegen rückständiger Verspätungs- und Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer erließ der Beklagte am 07.06.2013 gegenüber der B… Bank eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über einen Betrag i. H. v. 93,51 EUR. Der Beklagte pfändete alle dem Kläger gegenwärtig und zukünftig gegen die Bank zustehenden Ansprüche, Forderungen und Rechte aus der bestehenden Geschäftsbeziehung. Die Pfändung führte zur Tilgung der Rückstände. Die Bankverbindung hatte der Beklagte durch Heranziehung eines Finanzkassenauszugs in Erfahrung gebracht, aus dem hervorging, dass der Kläger im Januar 2013 von einer Kontoverbindung bei der B… Bank einen Umsatzsteuerbetrag an das Finanzamt des Beklagten überwiesen hatte.
Den Einspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, die Pfändung sei rechtswidrig gewesen, weil der Beklagte die Kenntnis von der Kontoverbindung mit der B… Bank auf illegale Art erlangt habe, wies der Beklagte mit Entscheidung vom 04.11.2013 zurück. Zur Begründung führte er aus, gemäß § 85 Abgabenordnung – AO – hätten die Finanzbehörden die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Nur soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig sei, könnten Vollstreckungsmaßnahmen gemäß § 258 AO einstweilen eingestellt, beschränkt oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufgehoben werden. Eine Unbilligkeit in diesem Sinn liege jedoch nur vor, wenn die Anordnung, Durch- oder Fortführung der Vollstreckung oder eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme dem Schuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden könnte. Nachteile, die üblicherweise mit der Vollstreckung oder einzelner Vollstreckungsmaßnahmen verbunden seien, begründeten keine Unbilligkeit.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die Kontopfändung seines privaten Girokontos bei der B… Bank sei rechtswidrig gewesen, weil der Beklagte seine Kontendaten unter Umgehung der formalen Anforderungen des Vollstreckungsverfahrens der Abgabenordnung erlangt habe. Der Beklagte habe im Rahmen einer Rücküberweisung eines betragsmäßig überzahlten Teils der Kfz-Steuer Computerdaten (§§ 202 a ff StGB) bei ihm, dem Kläger ausgespäht, ohne hierzu sachlich berechtigt zu sein. Nachdem er, der Kläger, bereits vor 10 Jahren eine überraschende Kontopfändung über sich habe ergehen lassen müssen, habe er sich ein weiteres Girokonto einrichten lassen, in das der Beklagte nunmehr gepfändet habe.
Außer...