Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbeziehung einer sogenannten Kompensationszahlung in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Gegenleistung im Sinne des § 8 Abs. 1 GrEStG gehören auch Leistungen, die der Erwerber des Grundstücks anderen Personen als dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass sie auf den Erwerb des Grundstücks verzichten, sofern sich der Erwerber zu dieser Leistung nicht (auch) gegenüber dem Veräußerer verpflichtet hat.
2. Die Einbeziehung einer solchen Leistung in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer setzt jedoch voraus, dass der Verzichtende bei Abschluss des Vertrags noch tatsächlich in der Lage und willens gewesen ist, das streitgegenständliche Grundstück zu erwerben. Allein eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Verzichtenden sowie das daraus abgeleitete Anwartschaftsrecht genügt nicht.
Normenkette
GrEStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3
Tenor
Abweichend von dem Bescheid vom … und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom … in der Fassung des Änderungsbescheides vom … wird die Grunderwerbsteuer auf … EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Zuziehung der Bevollmächtigten der Klägerin für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft, wendet sich gegen die Einbeziehung einer sogenannten Kompensationszahlung in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer. Die zugunsten der X-Gesellschaften vereinbarte Kompensationszahlung, die zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten und zur Übernahme des Projekts geleistet werden sollte, stand im unmittelbaren Zusammenhang mit dem besteuerten Grundstückserwerb vom L (Gebietskörperschaft).
I. Vorgeschichte
Die sogenannten X-Gesellschaften erwarben mit notariellen Grundstückskaufverträgen vom … – Notar C…, D… – ca. … ha des Geländes E…; hinsichtlich weiterer ca. … ha wurden Vorverträge geschlossen. [Zum Zweck der Anonymisierung wurde Sachverhalt entfernt.] Erwerber waren im Einzelnen:
- X-H… Ltd. […]
- X-I… Ltd. […]
- X-J… Ltd. […]
X-K… Ltd. […]
Der Kaufpreis für den abzuschließenden Grundstückskaufvertrag hinsichtlich der Flächen laut Vorvertrag sollte … EUR betragen.
- X-L … GmbH […]
Das nur … m² große Flurstück wurde zusätzlich zum Gesamtkaufgegenstand erworben. Veräußerer war nicht das L (Gebietskörperschaft), sondern die B… GmbH M…, die insoweit nicht als Geschäftsbesorger des L (Gebietskörperschaft) handelte.
Die X-L… GmbH war die Muttergesellschaft der vier anderen Gesellschaften (alle fünf Gesellschaften: Die X-Gesellschaften). Sie unterwarf sich jeweils in § 4 der Verträge zu den URNrn. … bis … – neben der jeweiligen Käuferin – der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in ihr gesamtes Vermögen.
In dem insoweit übereinstimmenden § 8 der Verträge zu den URNrn. … bis … sagte der Käufer zu, [Zum Zweck der Anonymisierung wurde Sachverhalt entfernt.] zu errichten. Das Gesamtvolumen der Investitionen solle voraussichtlich – ohne Übernahme einer entsprechenden Verpflichtung durch den Käufer – … EUR betragen. Sollte das Bebauungsplanverfahren, das nach dem Baugesetzbuch für die Landeshauptstadt N… in Umsetzung ihrer Planungshoheit durchzuführen sei, auf Teilen des Grundstücks andere Nutzungen festsetzen, die die Zustimmung des Käufers finden, so werde die oben genannte Nutzung durch die neu festgesetzte ersetzt. In Abs. 2 wurde dem Verkäufer ein Wiederkaufsrecht eingeräumt, unter anderem falls der Käufer das Kaufgrundstück oder Teile davon nicht innerhalb der Frist vertragsgemäß verwende bzw. nutze (1. Alt.) oder seinen sonstigen in diesem Vertrag übernommenen Verpflichtungen nicht nachkomme (2. Alt.).
In einem 1. Änderungsvertrag vom … – URNr. … – wurde den fünf Erwerbern ein auf den … befristetes freies Rücktrittsrecht bezüglich der geschlossenen Kaufverträge eingeräumt, das in einem 2. Änderungsvertrag vom … – URNr. … – bis zum … verlängert wurde.
In einem 3. Änderungsvertrag vom … – URNr. … – hoben die Vertragsparteien einverständlich die in den Verträgen URNrn. … bis … enthaltene Klausel, dass ein Rücktritt nur für sämtliche Verträge gemeinsam erklärt werden könne, auf und sie verlängerten das Rücktrittsrecht zu den Kaufverträgen URNrn. … und … bis zum ….
Hinsichtlich der Verträge zu den URNrn. …, … und … vereinbarten die Vertragsparteien „die Aufhebung der Verträge unter gleichzeitiger Vereinbarung eines Ankaufsrechtes für den bisherigen Käufer im Umfange der aufgehobenen Grundstückskaufverträge zu den URNrn. …, … und … bis zum …. Die bei Ausübung des Ankaufsrechtes zu schließenden Grundstückskaufverträge sollen den Grundstückskaufverträgen zu den URNrn. …, … und … entsprechen”. Die zugunste...