Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 AO bei Bildung einer Ansparrücklage a. F.. nachträgliches Bekanntwerden der unterbliebenen Auflösung. Überwachungspflicht des FA
Leitsatz (redaktionell)
1. Bezüglich der Bildung einer Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG a. F. sind Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 AO auch die Anschaffung von Wirtschaftsgütern vor dem Schluss des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres sowie der Umstand, dass die Anschaffung des begünstigten Wirtschaftsgutes bis zum zweiten auf die Rücklagenbildung folgenden Wirtschaftsjahr unterblieben und deshalb die Rücklage aufzulösen und als Zuschlag zu behandeln ist. Welche dieser Tatsachen eingetreten ist, hat der Steuerpflichtige zu erklären.
2. Wusste das FA um die Bildung der Ansparrücklage und konnte es aus den vorgelegten Anlagenverzeichnissen erkennen, dass keine Anschaffungen in der Größenordnung der gebildeten Rücklage vorgenommen worden waren, so bestand Anlass, zumindest Rückfrage wegen der Auflösung der Rücklage beim Steuerpflichtigen zu nehmen. Unterlässt es dies, so überwiegt das Verschulden des FA an einem nachträglichen Bekanntwerden der unterbliebenen Auflösung ein etwaiges Mitverschulden des Steuerpflichtigen mit der Folge, dass eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ausgeschlossen ist.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, §§ 90, 88; EStG a.F. § 7g Abs. 3
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid über Einkommensteuer für 2003 vom 10. Juni 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2011 wird aufgehoben.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch über die Änderungsmöglichkeit bestandskräftiger Bescheide über Einkommensteuer für das Veranlagungsjahr 2003. Streitig ist, ob eine Ansparrücklage gewinnerhöhend aufgelöst werden konnte, weil insoweit eine neue Tatsache vorlag.
Die Kläger sind Eheleute und wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte in den Jahren 2001 bis 2003 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die Klägerin solche aus nichtselbständiger Arbeit.
Nach Aktenlage nahm der Kläger im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 2001 bei seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb eine Ansparabschreibung in Höhe von 35.000 DM (17.895,22 EUR) gemäß § 7g Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in Anspruch. Unter Berücksichtigung dieser Ansparabschreibung ermittelte der Kläger für seine gewerbliche Tätigkeit im Rahmen einer Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG (Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR)) einen Gewinn in Höhe von 19.506,36 EUR, den der Beklagte in der dementsprechend erklärten Höhe bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 2001 auch berücksichtigte.
Ausweislich der für das Kalenderjahr 2002 erstellten Gewinnermittlung kam es in diesem Jahr zu keiner Auflösung der in 2001 gebildeten Ansparabschreibung.
Für das Streitjahr erließ der Beklagte unter dem 2. Februar 2005 über die Einkommensteuer einen Schätzungsbescheid, nachdem die Kläger zunächst keine Einkommensteuererklärung abgaben. Dagegen erhoben die Kläger Einspruch und reichten unter dem 7. März 2005 für den Veranlagungszeitraum 2003 eine Einkommensteuererklärung ein. Darin erklärte der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 8.174 EUR. Soweit aus den beigezogenen Steuerakten ersichtlich, legte der Kläger dazu eine Gewinnermittlung für das Kalenderjahr 2003 gemäß § 4 Abs. 3 EStG vor, die mit einem Gewinn in Höhe von 8.138,13 EUR endete. Eine Auflösung der in 2001 in Anspruch genommenen Ansparabschreibung ist nicht ersichtlich.
Mit Teilabhilfebescheid vom 21. Juli 2005 berücksichtigte der Beklagte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß. Im Übrigen wies er mit Einspruchsentscheidung vom 13. September 2006 den Einspruch wegen hier nicht interessierender Streitpunkte als unbegründet zurück. Die Kläger ließen es dabei bewenden.
Mit Schreiben vom 10. Februar 2009 teilte der Beklagte den Klägern mit, ihm sei im Rahmen der Überprüfung der Steuererklärungen 2006 aufgefallen, dass zum 31. Dezember 2003 eine Ansparabschreibung von insgesamt 17.895,22 EUR auf dem Konto 948 bestanden habe. Diese sei 2001 gebildet worden, um einen Pkw, einen Computer, einen Drucker sowie Büromöbel anzuschaffen. Im Jahre 2004 sei eine Auflösung dieses Sonderpostens nicht erklärt worden. Gleichzeitig tauche das Konto 948 jedoch nicht mehr im Kontennachweis auf.
Die Kläger äußerten dazu unter dem 27. März 2009, die in 2001 gebildete Ansparabschreibung sei irrtümlich zum 31. Dezember 2003 nicht aufgelöst worden. Das Konto 948 tauche deshalb im Kontenausweis nicht m...