Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen atypisch stiller und typisch stiller Gesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine stille Gesellschaft ist steuerlich als atypisch stille Gesellschaft und damit als Mitunternehmerschaft i. S. v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren, wenn der atypisch stille Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist. Dies setzt voraus, dass er ein Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann.
2. Ein mangels ausdrücklicher Beteiligung an den stillen Reserven eingeschränktes Mitunternehmerrisiko des stillen Gesellschafters kann dadurch kompensiert werden, dass seine Mitunternehmerinitiative durch ein ihm eingeräumtes Widerspruchsrecht, das ihm die Einflussnahme auf sämtliche Geschäfte des Unternehmens ermöglicht, besonders stark ausgeprägt ist.
Normenkette
AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG 2002 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4; HGB § 230; BGB § 716
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des negativen Feststellungsbescheids vom 26. Februar 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2008 verpflichtet, eine einheitliche und gesonderte Feststellung für die B. GmbH & atypisch stille Gesellschaft für 2006 auf der Grundlage der eingereichten Feststellungserklärung durchzuführen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin zu 1 ist eine GmbH, die eine Tischlerei betreibt und deren Gesellschafter die Herren A. und C. sind. Kläger zu 2 ist Herr B., der mit der Klägerin zu 1 im Juli 2006 einen Vertrag über eine atypisch stille Gesellschaft schloss. Danach sollte sich der Kläger zu 2 mit einer Einlage von EUR …, – als atypisch stiller Gesellschafter an dem Handelsbetrieb der Klägerin zu 1 beteiligen und einen Gewinn- und Verlustanteil von 3 % erhalten.
Nach § 1 Nr. 2 Satz 2 des Vertrags sollten die §§ 230 ff. des Handelsgesetzbuches – HGB – anwendbar sein. Der Kläger zu 2 sollte nach § 5 Nr. 1 des Vertrags auf Wunsch und Zustimmung der Inhaber Einzelprokura erhalten und nach § 5 Nr. 2 des Vertrags gewöhnlichen Geschäften widersprechen können. Außergewöhnliche Geschäfte sollten nach § 5 Nr. 3 des Vertrags der vorherigen Zustimmung des Klägers zu 2 bedürfen. Weiterhin sollten dem Kläger zu 2 die Informations- und Kontrollrechte nach § 716 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – zustehen (§ 5 Nr. 5 Satz 1 des Vertrags), insbesondere ein Recht auf Prüfung des Jahresabschlusses (§ 6 Nr. 3 Satz 2 des Vertrags). § 8 des Vertrags regelte die Auseinandersetzung der Gesellschaft: Der Kläger zu 2 sollte bei Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft einen Anspruch auf Auszahlung seines Guthabens auf seinem Einlagekonto erhalten, nicht jedoch am Ergebnis schwebender Geschäfte mehr teilhaben. Bei einer unterjährigen Beendigung sollte der Kläger zu 2 noch seinen zeitanteiligen Gewinnanteil erhalten. Stille Reserven sind nach § 8 Nr. 1 Satz 4 des Vertrags nicht aufzulösen. Nr. 2 des § 8 des Vertrags regelte den Fall der nachträglichen Änderung des Jahresabschlusses, Nr. 3 die Modalitäten der Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens, Nr. 4 die Verzinsung des Guthabens, Nr. 5 die Berechtigung der Klägerin zu 1 zur Auszahlung des Guthabens vor Fälligkeit und Nr. 6 die entsprechende Anwendbarkeit der vorherigen Regelungen bei einem etwaigen Guthaben der verbleibenden Gesellschafter. Der Senat nimmt wegen der Einzelheiten des Vertrags über die atypisch stille Gesellschaft auf den Inhalt der Streitakte Bezug.
Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 reichten für 2006 eine Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ein und erklärten einen Gewinn in Höhe von EUR …,– den sie in Höhe von EUR …,– (= 97 %) der Klägerin zu 1 und in Höhe von EUR …,– (= 3 %) dem Kläger zu 2 zurechneten.
Der Beklagte nahm zu der Feststellungserklärung Stellung und teilte mit, dass er die Gesellschaft als typisch stille Gesellschaft einstufe. Denn es fehle dem Kläger zu 2 am erforderlichen Mitunternehmerrisiko, da er nicht an den stillen Reserven beteiligt sei. Die Kläger vertraten hingegen die Auffassung, dass sowohl die Einzelprokura für den Kläger zu 2, sein Widerspruchsrecht bei gewöhnlichen Geschäften, sein Zustimmungserfordernis bei außergewöhnlichen Geschäften, seine Kontrollrechte nach § 716 BGB sowie seine Beteiligung am Gewinn und Verlust für eine atypisch stille Gesellschaft sprächen. Die Regelung in § 8 des Vertrags über die Fortführung der stillen Reserven solle verhindern, dass bei Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft sämtliche stillen Reserven aufzulösen seien. Eine Fortführung der stillen Reserven, soweit sie nicht den atypisch stillen Gesellschafter beträfen, sei für eine atypisch stille Gesellschaft unschädlich.
Der Beklagte schloss sich der klägerischen Auffassung nicht an und erließ am 26. Februar 2008 einen negativen Feststellungsbescheid, in dem er eine einheitliche und gesonderte Feststellung ablehnte. Er begründete dies damit, dass keine Feststellungsgemeinschaft bestanden habe. Es ...