rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Adressierung der Klageschrift an das nicht existente FA Berlin-Brandenburg und bloßem Hinweis des Gerichts auf das nach Ablauf der Klagefrist liegende Datum des Klageeingangs
Leitsatz (redaktionell)
1. Richtet der Prozessbevollmächtigte die Klage an die richtige Anschrift des zuständigen Gerichts, aber statt an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg an ein solches – nicht existentes – FA, ist die durch den Irrtum des Postbediensteten über den richtigen Adressaten in Folge der falschen Bezeichnung eingetretene Fristversäumung entschuldbar. Mit einem Fehler in einem Teil der im Übrigen richtigen Adressatenbezeichnung, der nur bei sehr gründlichem Überprüfen auffallen kann, verletzt der Prozessbevollmächtigte seine Sorgfaltspflicht nicht.
2. Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet gleichwohl aus, wenn nicht rechtzeitig nach Wegfall des Hindernisses ein begründeter Wiedereinsetzungsantrag eingeht, weil der Prozessbevollmächtigte es pflichtwidrig unterlassen hat, nach Zugang der gerichtlichen Mitteilung des Klageeingangs, als Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses, die Rechtzeitigkeit des Klageeingangs zu prüfen und er erst nach Ablauf der Zweiwochenfrist i. S. d. § 56 Abs. 2 FGO durch einen entsprechenden Hinweis des FA von der Verfristung erfährt. Dem steht nicht entgegen, dass das Gericht nicht auf die Versäumung der Klagefrist hingewiesen hat und neben der Mitteilung des Eingangsdatums der Klage zu deren Begründung aufgefordert hat.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 2, §§ 47, 54; ZPO § 85 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die an das „Finanzamt Berlin-Brandenburg, Von-Schön-Straße 10, 03050 Cottbus” adressierte Klage des Klägers vom 29.5.2009 gegen die mittels einfachem Brief am 29.4.2009 per Post übersandten und mit ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrungen versehenen Einspruchsentscheidungen ging am 3.6.2009 beim Finanzamt … ein und wurde von diesem an das Finanzgericht weitergeleitet. Beim Gericht ging die Klage daraufhin am 9.6.2009 ein. Auf der Klageschrift befindet sich der Eingangsstempel des Finanzamtes Cottbus, versehen mit der Bemerkung „Irrläufer”.
Mit Eingangsverfügung des Gerichts vom 16.6.2009, dem Kläger per Telefax am selben Tag übermittelt, hat das Gericht auf den Eingang der Klage am 9.6.2009 hingewiesen. Ein Hinweis auf die Verfristung und Möglichkeit der Wiedereinsetzung erfolgte nicht.
Mit Schriftsatz des Beklagten vom 29.6.2009, beim Kläger zusammen mit der Verfügung des Gerichts vom 27.7.2009 am 29.7.2009 eingegangen, hat dieser auf die Versäumung der Klagefrist hingewiesen und Klageabweisungsantrag gestellt.
Daraufhin hat der Vertreter der bevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft des Klägers mit am 5.8.2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist gestellt und diesen damit begründet, die Klageschrift am 29.5.2009, gerichtet an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Von-Schön-Straße 10, 03050 Cottbus, diktiert und der Rechtsanwaltfachangestellten A. zur Bearbeitung gegeben zu haben. Frau A. sei als langjährige Beschäftigte bei der Bevollmächtigten stets zuverlässig tätig gewesen (wird weiter ausgeführt). Der Vertreter der Bevollmächtigten habe die diktierte Klageschrift am 29.5.2009 unterzeichnet und dabei die Anschrift überprüft. Er habe dabei versehentlich übersehen, dass die Klage statt – wie diktiert – an das Finanzgericht an das Finanzamt Berlin-Brandenburg, bei im Übrigen zutreffender, von der Anschrift des Finanzamts … abweichender Adressierung an das Finanzgericht, gerichtet war. Die Klageschrift sei am selben Tag zur Post gegeben worden. Eine den Vortrag bestätigende eidesstattliche Versicherung der Frau A. vom 5.8.2009 hat dem Antrag beigelegen.
Der Vertreter der Bevollmächtigten habe erstmalig mit Schriftsatz des Beklagten am 29.7.2009 von der Fristversäumnis Kenntnis erhalten. Zwar habe ihm das Gericht mit Schreiben vom 16.6.2009 den Eingang der Klagefrist mitgeteilt. Aber da in diesem Schreiben eine Frist zur Begründung der Klage eingeräumt wurde, sei ihm die Fristversäumnis nicht aufgefallen. Die Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages sehe er als gewahrt an, weil auch dem Gericht bei seiner Verfügung vom 16.6.2009 nicht aufgefallen sei, dass die Klage verfristet war, und es daher keinen Hinweis nach § 76 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – erteilt hatte. Er habe sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – nicht davon zu überzeugen, dass ein fristgebundener Schriftsatz tatsächlich fristgerecht bei dem Gericht eingegangen sei.
Der Kläger beantragt, vorab im Wege des Zwischenurteils
festzustellen, dass die Klage zulässig ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe die Klagefrist durch falsche Adressierung der Klageschrift ...