rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein ermäßigter Steuersatz bei Durchführung von touristischen Stadtrundfahrten im Linienverkehr bei erst nachträglich erteilter Verkehrsgenehmigung. grundsätzlich keine Rückwirkung der Verkehrsgenehmigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch touristischen Zwecken dienende Stadtrundfahrten können dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG unterliegen, wenn es sich insoweit um genehmigten Linienverkehr handelt.

2. Der Unternehmer, der sich auf die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG berufen will, muss derjenige sein, der gegenüber den Leistungsempfängern der Beförderungsleistungen als Erbringer dieser Beförderungsleistung auftritt, und muss ferner im Besitz einer nach dem PBeFG erforderlichen Genehmigung sein.

3. Behördliche Verwaltungsakte können zwar dem Grunde nach auf zurückliegende Zeiträume zurückwirken. Ob ein Verwaltungsakt Rückwirkung hat, bestimmt sich nicht nach § 184 Abs. 1 BGB, sondern aus dem Genehmigungserfordernis selbst und den mit ihm im Zusammenhang stehenden Bestimmungen.

4. Eine rückwirkende Linienverkehrsgenehmigung gemäß § 42 PBefG oder § 43 PBefG ist dem Personenbeförderungsrecht fremd. Ist die rückwirkende Übertragung der Genehmigung von einem anderen auf das klagende Unternehmen beantragt worden, so kann die von der zuständigen Behörde erteilte Genehmigung im Hinblick auf die Anwendung des ermäßigten Steuersatezs nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG allenfalls dann Rückwirkung entfalten, wenn die Rückwirkung in der Genehmigung ausdrücklich ausgesprochen wird. Ansonsten ist von einer Genehmigung mit Wirkung nur für die Zukunft auszugehen.

 

Normenkette

UStG 2005 § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b; PBefG § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 6, §§ 42-43; BGB § 184

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.11.2015; Aktenzeichen XI R 32/14)

BFH (Urteil vom 18.11.2015; Aktenzeichen XI R 32/14)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Umsätze der Klägerin aus Stadtrundfahrten dem ermäßigten Steuersatz oder dem Regelsteuersatz zu unterwerfen sind.

Die Klägerin entstand im Jahre 1995 durch Umwandlung aus einer GmbH. Kommanditisten waren die Eheleute B. (bis zu seinem Tod im Jahre 2006) und C., letztere seit dem Tod ihres Ehemanns als alleinige Kommanditistin. Komplementärin war und ist die D. GmbH, deren Geschäftsführer E. und F. waren bzw. ist.

Ebenso ging aus einer Umwandlung aus einer GmbH die G. OHG hervor, deren Gesellschafter ebenfalls das Ehepaar B. und C. waren. Nach dem Tod des Ehemanns führte C. das Unternehmen als Einzelunternehmerin, bis es im Jahre 2007 in eine KG umgewandelt und H. als Kommanditistin aufgenommen wurde. Seit 2013 firmiert diese Gesellschaft als GmbH & Co. KG.

Am 28. März 2000 genehmigte die damalige Senatsverwaltung der Klägerin bis zum 30. März 2005 die Durchführung sogenannter „Open-Door-Stadtrundfahrten”, also Stadtrundfahrten, bei denen die Fahrgäste an verschiedenen über das Stadtgebiet verteilten Haltestellen ein- und aussteigen können. Im Hinblick auf Vereinbarungen mit den I. Verkehrsbetrieben beantragten die Klägerin und die G. OHG am 28. März 2000, die Genehmigung auf die G. OHG zu übertragen. Dem kam die Senatsverwaltung mit Verfügung vom 19. Juli 2000 nach.

Am 27. Dezember 2001 schlossen die G. OHG und die Klägerin einen Vertrag zur Nutzung von Konzessionen. Danach gestattete die G. OHG der Klägerin ab dem 1. Januar 2002 die vollständige, selbständige und exklusive Nutzung der Genehmigung zur Durchführung von Stadtrundfahrten. Dafür erhielt sie eine Gebühr von jährlich 12,5 Prozent der erzielten Nettoumsätze.

Am 23. März 2005 genehmigte das Landesamt der G. OHG erneut die Durchführung von Stadtrundfahrten, nunmehr für den Zeitraum vom 1. April 2005 bis 31. März 2013.

Davon abweichend wurden die streitbefangenen Stadtrundfahrten durch die Klägerin durchgeführt und die entsprechenden Umsätze als Umsätze zum ermäßigten Steuersatz erklärt. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Bruttoumsätze (vgl. die Schriftsätze der Klägerin vom 25.06.2012, Bl. 121 f. Umsatzsteuerakte 02 – 10, Bl. 10 f. Umsatzsteuerakte 2011):

2005

1.167.985,25 EUR

2006

1.329.562,74 EUR

2007

1.477.893,63 EUR

2008

1.456.537,50 EUR

2009

1.410.711,54 EUR

2010

1.545.198,77 EUR

2011

1.596.039,82 EUR

Von den Bruttoumsätzen des Jahres 2005 entfielen 179.992,19 EUR auf das I. Quartal.

Unter dem 14. November 2012 beantragten die G. OHG und die Klägerin mit gleichlautenden Schreiben an das Landesamt die Zustimmung zur Übertragung der Betriebsführung ab dem 1. Januar 2002 auf die Klägerin. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Anlagen K 26 und K 27 zum Schriftsatz der Klägerin vom 19. August 2013 im Verfahren 7 V 7112/13 (Bl. 45 ff. der Gerichtsakte 7 V 7112/13) Bezug. Die beiden Gesellschaften verwiesen auf den zuvor erwähnten Vertrag vom 27. Dezember 2001 und legten diesen in Kopie bei. Diesen Ant...

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