rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers für Lohnsteuer der GmbH bei ungekürzter Auszahlung der Löhne, durch Steuerberater verschuldeter verspäter Abgabe der Lohnsteueranmeldung und Stornierung der Abbuchung der Lohnsteuer vom Konto der GmbH wegen Kündigung der Bürgschaft durch Mitgesellschafter
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurden die monatlichen Löhne einer finanziell in der Krise befindlichen GmbH ungekürzt ausgezahlt, so haftet ein Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH auch dann für die nicht fristgerecht angemeldete und letztendlich nicht ans Finanzamt abgeführte Lohnsteuer bzw. Lohnkirchensteuer des betreffenden Voranmeldungszeitraums, wenn die fällige Lohnsteuerzahlung zunächst vom Kontokorrentkonto der GmbH abgebucht worden ist, für das beide Gesellschafter-Geschäftsführer bislang gemeinschaftlich persönlich gebürgt haben, wenn aber die Bank die Lastschrift des Finanzamts aufgrund einer Kündigung der Bürgschaft des anderen Gesellschafter-Geschäftsführers wieder storniert hat, und wenn die GmbH zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer bzw. -kirchensteuer im insolvenzrechtlichen Sinne bereits zahlungsunfähig war.
2. Eine schuldhafte Pflichtverletzung i. S. d. §§ 34 und 69 AO 1977 wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der für die GmbH tätige Steuerberater die Lohnsteueranmeldung der GmbH erst verspätet zur Unterschrift vorgelegt hat und dass die später bestellte Insolvenzverwalterin die Zahlung der Lohnsteuer bzw. -kirchensteuer möglicherweise nach § 130 InsO anfechten hätte können, wenn die Lohnsteuerzahlung denn tatsächlich geleistet worden wäre.
Normenkette
AO § 34 Abs. 1, § 69 S. 1; GmbHG §§ 35, 64 Abs. 2; InsO §§ 17, 130 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 41a Abs. 1
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 15.06.2011; Aktenzeichen VII B 203/10) |
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte den Kläger als ehemaligen Mitgeschäftsführer einer „… GmbH” mit Sitz in … (künftig: GmbH) für rückständige Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer für den Monat Oktober 2002 persönlich in Haftung nehmen kann.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom … (UR-Nr. … des Notars … aus …) erwarben der Kläger sowie A aus … sämtliche Gesellschaftsanteile an der … mit Sitz in … (…) gegründeten und … nach … verlegten Gesellschaft (Stammkapital: 100 000 DM; Gesellschaftsanteil des Klägers: 80 000 DM; Gesellschaftsanteil von A: 20 000 DM). Unternehmensgegenstand der GmbH war die Erstellung von Apotheken und deren Einrichtung sowie die Einrichtung von Arztpraxen und deren Innenausbau.
Der Beklagte verfügte über eine Einzugsermächtigung seitens der GmbH bezüglich der fälligen Lohnsteuern. Außerdem hatte der Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter A eine Bürgschaftserklärung gegenüber der B-Bank, Filiale …, abgegeben, wonach er für den der GmbH gewährten Kontokorrentkredit in Höhe von 140 000,00 EUR bezüglich des Geschäftskontos der GmbH (Kto-Nr.: …) zur Hälfte, also in Höhe von 70 000,00 EUR bürgte.
Am Montag, den 18. November 2002, ging beim Beklagten die vom Steuerberater der GmbH erstellte Anmeldung von Lohnsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag hierzu und Lohnkirchensteuer für den Monat Oktober 2002 ein, die eine Zahllast in Höhe von 20 817,98 EUR auswies. Am 22. November 2002 erfolgte die Abbuchung der betreffenden Abgabenverbindlichkeiten sowie der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat September 2002 in Höhe von 27 168,25 EUR, also insgesamt in Höhe von 47 986,23 EUR, aufgrund der dem Beklagten erteilten Einzugsermächtigung vom vorgenannten Geschäftskonto der GmbH.
Ebenfalls am 22. November 2002 ging bei der vorgenannten Bank ein Faxschreiben der GmbH, vertreten durch A ein, in dem es heißt:
„… habe ich am 19.11.2002 den zwischen uns geschlossenen Bürgschaftsvertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt. Ich teilte Ihnen bei der Kündigung auch mit, dass diese auch für die zu obigem Konto getroffene Kreditabrede gilt. Die Bestätigung dieser Kündigung liegt noch nicht vor und vorsorglich kündige ich hiermit nochmals die zwischen mir und Ihnen getroffene Bürgschafts- und Kontokorrentkreditabrede. Zu unserer beider Sicherheit weise ich darauf hin, dass ich für eine weitere Inanspruchnahme aus dem zwischen uns geschlossenen Bürgschaftsvertrag, insbesondere im Hinblick auf eine Überziehung des o. g. Geschäftskontos und/oder eines ggf. zukünftig ohne meine schriftliche Zustimmung eröffneten weiteren Geschäftskonten nicht zur Verfügung stehe und bitte aus gegebenem Anlass, keine weiteren Überziehungen des hier angesprochenen und/oder zukünftigen Geschäftskonten mehr zuzulassen.”
Noch am 22. November 2002 führte die B-Bank, Filiale …, eine Stornierung der Lastschrift des Beklagten vom 22. November 2002 mit der Folge durch, dass der Kontostand fortan 22 292,52 EUR betrug.
Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 4. Dezember 2002 wurde der Kläger beauftragt, A von seinem Mitgeschäftsführeramt mit sofortige...