Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf ersatzlose Aufhebung eines Haftungsbescheids (mit Begründung: Schätzung der Besteuerungsgrundlagen) keine ausreichende Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens. Zugang eines Telefaxschreibens des FG beim Bevollmächtigen
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist für die Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens in Bezug auf einen Haftungsbescheid nicht ausreichend, dass der Kläger den angefochtenen Verwaltungsakt benennt und einen Klageantrag auf Aufhebung dieses Verwaltungsaktes stellt, wenn nicht der besondere Sachverhalt gegeben ist, dass „unter Berücksichtigung des Inhalts des Verwaltungsaktes keine hinreichende Zweifel bestehen, dass mit der Klage dieser Bescheid dem Grunde nach angefochten werden soll”, z. B. durch Negieren des Vorliegens allgemeiner Haftungsvoraussetzungen bei einem Haftungsbescheid.
2. Ein Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Haftungsbescheids, verbunden mit der Begründung, die Besteuerungsgrundlagen beruhten auf Schätzungen, reicht nicht für die Bezeichnung des Klagebegehrens aus.
3. Es ist davon auszugehen, dass ein Telefaxschreiben, mit dem der Vorsitzende dem Prozessbevollmächtigten eine Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens gesetzt hat, dem Bevollmächtigten zugegegangen ist, wenn das dem Gericht vorliegende Sendeprotokoll vom selben Tag keine Störung bei der Übertragung des Faxes aufweist und der Bevollmächtigte eine solche schriftsätzlich auch nicht geltend gemacht hat.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2; AO § 191 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Der Beklagte erließ nach vorheriger schriftlicher Anhörung am 2. Januar 2013 gegenüber dem Kläger als ehemaligem Geschäftsführer einer B. GmbH i. L. mit Sitz in C. einen auf § 191 der Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 69 AO gestützten Haftungsbescheid betr. Lohnsteuern etc. über insgesamt 95 256,22 EUR. Der Kläger legte gegen den Bescheid fristgerecht Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb und vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 16. September 2013 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die im Haftungsbescheid aufgeführten Steuerrückstände nicht der tatsächlich geschuldeten Lohnsteuer entsprechen würden.
Der Kläger, vertreten durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten D. (Steuerberater), erhob mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2013 Klage gegen den Beklagten mit dem Antrag, „den Haftungsbescheid vom 2. Januar 2013 ersatzlos aufzuheben”. Er kündigte die Nachreichung einer Klagebegründung bis zum 15. November 2013 an.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2013 forderte der Vorsitzende des 9. Senats des FG Berlin-Brandenburg StB D. auf, die Klage bis zum 25. November 2013 zu begründen.
Mangels Reaktion der Klägerseite auf das Schreiben des Senatsvorsitzenden forderte der Berichterstatter des Senats StB D. mit Telefaxschreiben vom 3. Dezember 2013 auf, gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO – den Gegenstand des Klagebegehrens bis zum 10. Februar 2014 zu bezeichnen. In diesem Schreiben wurde StB D. darauf hingewiesen, dass das Gericht nach dem bisherigen Vortrag nicht in der Lage sei, die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis zu bestimmen. Dies sei aber Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage (Hinweis auf Beschluss des Großen Senates des BFH vom 26. November 1979 GrS 1/78, BStBl II 1980, 99,102). Die Fristsetzung habe ausschließende Wirkung, d. h. bei Versäumung der Frist sei die Klage endgültig unzulässig, wenn nicht wegen unverschuldeter Fristversäumung in entsprechender Anwendung des § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werde. Das Telefaxschreiben ist StB D. laut Sendeprotokoll vom 3. Dezember 2013 an jenem Tag um 11 Uhr 42 zugegangen. Eine Reaktion der Klägerseite auf diese Fristsetzung blieb aus.
Mittels Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2014 wies der Unterzeichner als Berichterstatter des Senats die Klage wegen Nichteinhaltung der Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ab. Daraufhin stellte StB D. fristgerecht Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Mit Schriftsatz vom 25. März 2014, beim FG eingegangen am 4. April 2014, übersandte StB D. dem Gericht die Klagebegründung. Wegen der Einzelheiten der Argumente wird auf den vorgenannten Schriftsatz sowie den ergänzenden Schriftsatz des jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 12. Mai 2014 verwiesen.
StB D. hat mit Schriftsatz vom 21. Februar 2014 bestritten, das Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 25. Oktober 2013 und das Telefaxschreiben des Berichterstatters vom 3. Dezember 2013 erhalten zu haben.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 2. Januar 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. September 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung fünf Bände Haftungs- und Steuerakten betr. die B. GmbH i. L. (StNr. …) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen d...