rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Übersehen einer Einzahlung in die Kapitalrücklage als offenbare Unrichtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine offenbare Unrichtigkeit liegt vor, wenn das FA das steuerliche Einlagekonto erklärungsgemäß mit Null feststellt, obwohl den mit der Steuererklärung eingereichten Unterlagen zweifelsfrei zu entnehmen ist, dass in dem Veranlagungszeitraum eine Einzahlung in die Kapitalrücklage geleistet worden ist.
2. Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit trägt derjenige, der sich darauf beruft; ein Anscheinsbeweis genügt.
3. Es ist nicht erforderlich, dass die Unrichtigkeit aus dem Bescheid selbst erkennbar ist. Maßgebend ist vielmehr, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als Unrichtigkeit erkannt werden kann. Diese Tatfrage muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden.
4. Selbst eine oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls durch die Finanzbehörde hindert die Berichtigung nach § 129 AO nicht.
5. Eine Unrichtigkeit kann auch dann „beim Erlass eines Verwaltungsaktes” unterlaufen, wenn die Veranlagungsstelle des FA eine Unrichtigkeit des Außenprüfungsberichts bei dessen Auswertung übernimmt. Dies gilt selbst dann, wenn die Unrichtigkeit des Prüfungsberichts darauf beruht, dass eine offenbare Unrichtigkeit der Steuer- oder Feststellungserklärung des Steuerpflichtigen vom Außenprüfer nicht erkannt wird.
Normenkette
AO § 129; KStG § 27 Abs. 2 S. 1, § 28 Abs. 1; HGB § 272
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 20. April 2015 und der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2015 verpflichtet, den Bescheid zum 31. Dezember 2007 über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 und § 28 Abs. 1 KStG i.V. mit § 181 Abs. 5 AO dahingehend zu ändern, dass das steuerliche Einlagekonto mit 962.400 Euro festgestellt wird.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit i.S.d. § 129 der Abgabenordnung (AO).
Die Klägerin ist eine GmbH, die mittlerweile aufgelöst ist und sich in Liquidation befindet. Sie reichte ihre Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2007, die Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2007 und den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2007 im Februar 2009 bei dem Beklagten ein. Die Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos weist in Zeile 5, in der die Höhe des steuerlichen Einlagekontos anzugeben ist, den Betrag von 0 Euro aus. In Zeile 32, in der die im Wirtschaftsjahr geleisteten Einlagen aufzuführen sind, ist nichts eingetragen. Auch die Zeilen 33 und 34 der Körperschaftsteuererklärung wiesen keine Beträge aus. Die Bilanz der Klägerin weist als Kapitalrücklage einen Betrag von 962.400 Euro aus. In der Erläuterung dazu heißt es „Kapitalrücklage d. Zuzahl. in das Eigenkap.”.
Am 21. April 2009 erließ der Beklagte den Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2007 gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 und § 28 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Das steuerliche Einlagekonto wurde darin mit 0 Euro festgestellt. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
In der Folge nahm der Beklagte bei der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung für den Zeitraum 2006 bis 2008 vor. Der Prüfungsbericht enthält keine Ausführungen zur Kapitalrücklage. Die Kapitalrücklage wird lediglich in der Anlage 1 (Prüferbilanz) und Anlage 3 (Kapitalentwicklung) erwähnt.
Am 20. Juli 2010 erließ der Beklagte einen neuen Bescheid zum 31. Dezember 2007 über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos, mit dem dieses weiterhin mit 0 Euro festgestellt wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
Am 8. April 2015 beantragte die Klägerin, den Bescheid gemäß § 129 i.V.m. § 181 Abs. 5 AO dahingehend zu ändern, dass der im Jahre 2007 in die Kapitalrücklage eingezahlte Betrag in Höhe von 962.400 Euro im steuerlichen Einlagekonto ausgewiesen wird. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. April 2015 ab; der Einspruch der Klägerin dagegen hatte keinen Erfolg.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2007 auf einer offenbaren Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO beruhe. Sie weist darauf hin, dass im Bericht des Beklagten über die steuerliche Außenprüfung in keiner Textziffer erwähnt sei, dass die Kapitalrücklage nicht in das steuerliche Einlagekonto gehöre. Dies sei auch nicht Gegenstand der Schlussbesprechung gewes...