Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestreiten des Vorliegens einer bewertungsrechtlichen wirtschaftlichen Einheit nicht im Rahmen der Anfechtung der Zurechnungsfortschreibung, sondern durch Antrag auf Aufhebung nach § 24 BewG. grundbuchlich gesichertes Dauernutzungsrecht an vier Pkw-Abstellplätzen in Tiefgarage als wirtschaftliche Einheit (Grundstück) im Sinne des Bewertungsgesetzes (Nachfolgeentscheidung zu BFH, Urteil v. 12.1.2022, II R 11/20)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Macht die Steuerpflichtige geltend, dass ein ihr eingeräumtes, grundbuchlich gesichertes Dauernutzungsrecht an vier Tiefgaragenstellplätzen kein Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes sei, sodass ein nach dem Bewertungsgesetz dafür nicht vorgesehener Gegenstand der Besteuerung unterworfen werde, kann dieser Einwand verfahrensrechtlich nicht mit Erfolg durch die Anfechtung des Bescheides über die Zurechnungsfortschreibung auf die Steuerpflichtige verfolgt werden, sondern- sofern keine der Korrekturvorschriften der AO erfüllt ist – nur durch einen Antrag auf Aufhebung des Einheitswerts gemäß § 24 BewG. § 24 Abs. 1 Nr. 1 BewG und § 24 Abs. 1 Nr. 2 BewG sind entsprechend anzuwenden, wenn die bewertete Einheit bewertungsrechtlich (von Anfang an) nicht existiert; dabei gilt für den Aufhebungszeitpunkt § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG. Die daneben bestehende Anwendbarkeit der allgemeinen Korrekturvorschriften nach der Abgabenordnung steht dem nicht entgegen.

2. Das Dauerwohnrecht und das Dauernutzungsrecht sind zwar wie das Wohnungseigentum gemäß § 31 Abs. 1 WEG veräußerlich und vererblich, stellen aber doch nur ein Nutzungs- und Benutzungsrecht an einem fremden Grundstück dar und gelten grundsätzlich nicht als Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes.

3. Der Dauerwohnberechtigte/Dauernutzungsberechtigte kann jedoch durch vertragliche Vereinbarungen – ggf. in Verbindung mit den gesetzlichen Regelungen der §§ 31 ff. WEG – eine Stellung erlangen, die ihn wirtschaftlich einem Wohnungseigentümer bzw. Teileigentümer im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO gleichstellt, wenn der Wohn- bzw. Nutzungsberechtigte den Eigentümer des Grundstücks für die vereinbarte Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Grundstück wirtschaftlich ausschließen kann. In diesem Fall steht der Berechtigte wirtschaftlich einem Wohnungseigentümer bzw. Teileigentümer gleich. Es ist dann auch das Dauerwohnrecht/Dauernutzungsrecht wie ein Wohnungseigentum/Teileigentum zu behandeln. Dabei kann wirtschaftliches Eigentum auch an einzelnen Stellplätzen in einer mehrstöckigen Garage oder Tiefgarage bestehen, für die Teileigentum nach dem WEG begründet worden ist.

4. Eine dem Eigentum ähnliche Gestaltung des Dauerwohnrechts/Dauernutzungsrechts kommt insbesondere in Betracht, wenn es zeitlich unbeschränkt bestellt ist, die privaten und öffentlichen Lasten (z. B. Grundsteuer) vom Nutzungsberechtigten getragen werden, im Falle des Heimfalls des Nutzungsrechts auf den Eigentümer ein Entschädigungsanspruch des Nutzungsberechtigten besteht und die Veräußerung des Nutzungsrechts nicht der Zustimmung des Eigentümers bedarf.

5. Dass der wegen der Stellplätze ergangene Grunderwerbsteuerbescheid auf den Einspruch der Steuerpflichtigen hin aufgehoben worden ist, ist kein Gesichtspunkt, der gegen deren bewertungsrechtliche Behandlung als Grundvermögen spricht. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG sind unter Grundstücken in Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes solche im Sinne des bürgerlichen Rechts zu verstehen. Insofern ist der grunderwerbsteuerliche Grundstücksbegriff nicht mit dem Begriff des Grundvermögens nach § 68 BewG identisch.

 

Normenkette

BewG § 2 Abs. 2 S. 1, § 22 Abs. 2, 4 S. 3 Nr. 2, § 24 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 2, § 68 Abs. 1; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1; WEG § 12 Abs. 1, § 31 Abs. 1-3, §§ 35, 41 Abs. 1, 3

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens II R 11/20 auferlegt. Die Kosten der Beigeladenen trägt diese selbst.

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Sie ist nur noch anhängig bezüglich des Einheitswerts auf den 01. Januar 2016, nicht mehr bezüglich der Neuveranlagung des Grundsteuermessbetrags nach § 17 GrundsteuergesetzGrStG –, weil die Vorentscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. August 2019 insoweit rechtskräftig geworden ist.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte zu Recht eine Zurechnungsfortschreibung nach § 22 Abs. 2 Alternative 2 BewertungsgesetzBewG – des Einheitswerts für vier PKW-Abstellplätze (Tiefgaragenplätze) in bisheriger Höhe auf den 01. Januar 2016 auf die Klägerin vorgenommen hat. Dem lag zugrunde, dass die Klägerin ein grundbuchlich gesichertes Dauernutzungsrecht an vier PKW-Abstellplätzen erwarb, an denen im Rahmen einer Wohnungseigentumsanlage Teileigentum bestand (Grundbuchblätter 17544 ff des Grundbuchs von B.). An den 38 PKW Tiefgaragenstellplätzen war ein Dauernutzungsrecht im Sinne des § 31 Abs. 2 Wo...

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