rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfallberatung nach § 6 Abs. 4 S. 8 VerpackV (Verpackungsverordnung) als hoheitliche Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern gem. § 6 Abs. 4 S. 8 VerpackV zugewiesene, von den Systembetreibern verpflichtend in Anspruch zu nehmende Abfallberatung dient der Ausübung öffentlicher Gewalt und ist damit als hoheitliche Tätigkeit i. S. d. § 4 Abs. 5 KStG 2002 anzusehen.

 

Normenkette

KStG 2002 § 4 Abs. 5, 1, § 1 Abs. 1 Nr. 6; VerpackV § 6 Abs. 4 S. 8

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 03.04.2012; Aktenzeichen I R 22/11)

BFH (Urteil vom 03.04.2012; Aktenzeichen I R 22/11)

 

Tenor

Der Körperschaftsteuerbescheid 2004 vom 26. Oktober 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. August 2006 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 45 % dem Kläger und zu 55 % dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob Abfallberatung gemäß § 6 der Verpackungsverordnung eine hoheitliche oder gewerbliche Tätigkeit darstellt.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Klage hat nur teilweise Erfolg.

a) (…)

b) Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Der Körperschaftsteuerbescheid 2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Kläger unterfällt mit der Abfallberatung (…) nicht der Körperschaftsteuer.

aa) Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG sind Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (sogenannte partielle Steuerpflicht der öffentlichen Hand). Betriebe gewerblicher Art sind nach § 4 Abs. 1 KStG Einrichtungen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich. Nicht zu den Betrieben gewerblicher Art gehören nach § 4 Abs. 5 KStG Betriebe, die der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe).

bb) Die von dem Kläger betriebene Abfallberatung stellt einen Hoheitsbetrieb dar. Sie dient der Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.d. § 4 Abs. 5 KStG.

Unter Ausübung öffentlicher Gewalt sind Tätigkeiten zu verstehen, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und vorbehalten sind. Kennzeichnend dafür ist die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist. Eine Ausübung öffentlicher Gewalt ist allerdings insoweit ausgeschlossen, als sich die Körperschaft durch ihre Einrichtungen in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit ausübt, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet. Dann bewegt sich auch die juristische Person des öffentlichen Rechts in Bereichen der unternehmerischen Berufs- und Gewerbeausübung, in denen private Unternehmen durch den Wettbewerb mit (grundsätzlich nicht steuerpflichtigen) Körperschaften des öffentlichen Rechts ihrerseits nicht benachteiligt werden dürfen (Beschluss des Bundesfinanzhofes – BFH – vom 03. Februar 2010 – I R 8/09, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2010, 502, unter II.2.c)aa) der Gründe; BFH-Urteile vom 29. Oktober 2008 – I R 51/07, BStBl. II 2009, 1022, unter II.1. der Gründe m.w.N.; vom 07. November 2007 – I R 52/06, BStBl. II 2009, 248, unter II.2.b)aa) der Gründe; vgl. auch Baldauf, Deutsche Steuer-Zeitung – DStZ – 2011, 35, 36). Maßgeblich ist danach stets, ob zwischen dem Hoheitsträger und Privatunternehmen im selben Tätigkeitsfeld Wettbewerb herrscht (BFH-Urteile vom 29. Oktober 2008 – I R 51/07, BStBl. II 2009, 1022, unter II.2.b)aa) der Gründe; vom 23. Oktober 1996 – I R 1-2/94, BStBl. II 1997, 139, unter II.A)1. der Gründe; vgl. auch Baldauf DStZ 2011, 35, 38; Heger, Finanz-Rundschau – FR – 2009, 301, 305; Hüttemann, FR 2009, 308, 310; Küffner, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2003, 1606, 1608; Schiffers, DStZ 2010, 122, 124; Seer/Klemke, Betriebs-Berater – BB – 2010, 2015, 2016; Seer/Wendt, DStR 2001, 825, 827 f.), oder anders ausgedrückt, ob der Leistungsempfänger zwischen der Inanspruchnahme des Hoheitsträgers und der Inanspruchnahme eines Privatunternehmens wählen kann (vgl. BFH in BStBl. II 2009, 1022 aaO.; Küffner, DStR 2003, 1606, 1607). Ist aufgrund öffentlichen Rechts, also durch Gesetz, Rechtsverordnun...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?