rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung einer Eigentumswohnung im Ertragswertverfahren. Mietspiegel als Anhaltspunkt für die Schätzung der Jahresrohmiete. Abgrenzung zwischen „guter” und „sehr guter” baulicher Ausstattung. Beiladung zum Klageverfahren wegen Einheitsbewertung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Eigentumswohung, die zu mehr als 20 % Wohnzwecken dient, ist zwingend im Ertragswertverfahren zu bewerten. Eine Bewertung im Sachwertverfahren scheidet aus.
2. Als Anhalt für die Schätzung der Jahresrohmiete nach den Wertverhältnissen zum Hauptfeststellungszeitpunkt können die von den Finanzbehörden der Länder aufgestellten Mietspiegel dienen, die auch von der Rechtsprechung als geeignete Grundlage anerkannt werden.
3. Die Entscheidung darüber, ob von einer „guten” oder „sehr guten” baulichen Ausstattung im Sinne des Mietspiegels auszugehen ist, steht nicht im Gutdünken der Finanzbehörde; vielmehr ist es notwendig, dass die für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs „sehr gute bauliche Ausstattung” erforderlichen Schätzungsgrundlagen nachvollziehbar dargelegt werden.
4. Hinsichtlich eines Grundstückskäufers, der das Grundstück erst während des laufenden Klageverfahrens wegen Einheitsbewertung und nach Ablauf der Klagefrist erworben hat, kommt allenfalls eine einfache Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO in Betracht.
Normenkette
BewG §§ 27, 75 Abs. 1 Nr. 4, § 79 Abs. 1 S. 1, §§ 80, 93 Abs. 1-2; FGO § 60 Abs. 1, 3
Tenor
Der Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2003 vom 18. Dezember 2008 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 9. September 2009 werden dahingehend geändert, dass der Einheitswert auf 37.222 EUR (72.800 DM) festgestellt wird.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 36 % dem Kläger und zu 64 % dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen der Einheitsbewertung, ob bei einer im Jahre 2002 fertiggestellten Eigentumswohnung, deren Bewertung im Ertragswertverfahren nach den Wertverhältnissen 1. Januar 1964 erfolgt, bei der Ermittlung der Jahresrohmiete der für eine sehr gute bauliche Ausstattung geltende Mietsatz lt. Mietspiegel I a der Rundverfügung der Oberfinanzdirektion – OFD – Berlin vom 18. Januar 1991 (Rundverfügung Nr. 3/1991 – EW-Nr. 240 –, Amtsblatt – ABl – für Berlin, Teil II, Seite 292 ff.) Anwendung findet.
Der Kläger erwarb mit notariellem Vertrag vom … Mai 2001 einen Miteigentumsanteil von 386/10.000 verbunden mit dem Sondereigentum an der im vorläufigen Aufteilungsplan mit Nr. WE A …. bezeichneten Wohnung mit einer Gesamtwohnfläche von 143,88 m² (ohne Dachterrasse und Balkon) verbunden mit einem Keller Nr. … mit einer Nutzfläche von etwa 15 m². Zu der privaten Wohnzwecken dienenden Wohnung gehören außerdem eine 40,04 m² große Dachterrasse sowie ein 13,86 m² großer Balkon.
Die Eigentumswohnung liegt im sogenannten … Viertel. Hierbei handelt es sich um ein ehemals von den US-amerikanischen Streitkräften genutztes Areal. Die streitige wirtschaftliche Einheit gehört zu einer Teilfläche von etwa 4.438 m². Auf diesem Gelände errichtete die Voreigentümerin, die G. GmbH, als Bauträgerin eine Mehrhausanlage bestehend aus sieben Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 33 Eigentumswohnungen und 58 Tiefgaragenstellplätzen. Auf dem Wohn-Areal befinden sich zum Gemeinschaftseigentum der Eigentümergemeinschaft gehörende asphaltierte Anliegerstraßen, Wege, PkwStellplätze, Kinderspielplätze, Grünflächen, sonstige Ruhebereiche, Beleuchtungseinrichtungen u.s.w. (siehe Bl. 81 Streitakte).
Bei dem vom Kläger erworbenen Wohnungseigentum handelt es sich um eine zweigeschossige Maisonette-Penthouse-Wohnung (…), die zu einem würfelartigen voll unterkellerten Mehrfamilienhaus mit insgesamt vier Wohnungseigentumseinheiten gehört, von denen sich zwei im Erdgeschoss, die Wohnung des Klägers und eine weitere zweigeschossige Maisonette-Penthouse-Wohnung im ersten Ober- und dem Dachgeschoss befinden.
Das Mehrfamilienhaus mit Pultdach verfügt über einen rechteckigen Grundriss. In dem in der Gebäudemitte gelegenen gemeinschaftlichen Treppenhaus befindet sich eine Aufzuganlage für Kleinlasten, die vom Kellergeschoss bis zum Dachgeschoss führt. Die Gebäudeumfassungswände sind aus Kalksandstein, die Kellerwände sind teils gemauert und teils aus Beton. Die Fassade ist mit einem Wärmedämmverbundsystem versehen und entspricht den im Errichtungszeitpunkt geltenden Vorschriften zum Wärme- und Feuchteschutz (DIN 4108, Wärmeschutzverordnung 95). Bei den Gebäudedecken handelt es sich um Stahlbetondecken mit Aufbeton entsprechend den statischen und konstruktiven Erfordernissen.
Im Kellergeschoss sind die den einzelnen Wohnungseigentumseinheiten als Sondereigentum zugeordneten Kel...