Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch eines auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelten Berechtigten. Zuflussprinzip gilt nicht bei der beschränkten Einkommensteuerpflicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Kindergeldanspruch gem. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b i. V. m. § 1 Abs. 3 EStG besteht nur in denjenigen (einzelnen) Monaten, in denen der Kindergeldberechtigte inländische Einkünfte erzielt hat.
2. Für die Frage, ob im jeweiligen Monat inländische Einkünfte erzielt wurden, kommt es nicht auf den Zufluss von Einnahmen, sondern auf die Ausübung einer steuerpflichtigen Tätigkeit im Inland an. Dies gilt unabhängig von der verwirklichten Einkunftsart sowie bei Gewinneinkünften auch unabhängig von der gewählten Gewinnermittlungsart.
3. § 1 Abs. 3 EStG ist ein Sonderfall der beschränkten Steuerpflicht.
4. Bei der beschränkten Einkommensteuerpflicht wird das Zuflussprinzip durch den Veranlassungszusammenhang mit einer steuerpflichtigen Tätigkeit im Inland ersetzt.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3, § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. b, §§ 49, 11, 4 Abs. 1, 3
Nachgehend
Tenor
Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 22.05.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.09.2016 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für die Kinder B. und C. für den Monat Mai 2012 Kindergeld zu gewähren.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 5/13 und die Beklagte 8/13.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen der Kindergeldberechtigung bei Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz – EStG – um die Frage, ob es für die Erzielung inländischer Einkünfte auf den Zufluss oder die Tätigkeit ankommt, für den Streitmonat Mai 2012.
Verfahrensgegenständlich waren ursprünglich die Monate Januar und Februar 2011, Januar, März bis Mai, Juli, September und Dezember 2012 und Januar, März und Juli bis August 2013. Bezüglich 02/11, 01/12, 12/12, 01/13, 03/13, 07/13 und 08/13 hat die beklagte Familienkasse im Laufe des Klageverfahrens abgeholfen und Kindergeld festgesetzt, die Beteiligten haben insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt (FG-A Bl. 30, 36, 40, 52). Bezüglich 01/11, 03/12, 04/12, 07/12 und 09/12 hat der Kläger die Klage zurückgenommen (FG-A Bl. 46, 52). Streitig geblieben ist 05/12.
I.
Der Kläger wohnt mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern (geboren 1999 und 2005) in D. in Polen. In den Jahren 2011 bis 2015 erbrachte der Kläger in Deutschland selbständig Bauarbeiten, wie Fußbodenarbeiten, Fliesenverlegung, Malerarbeiten, Abrissarbeiten, Schleifarbeiten, Entsorgung u. ä. (Gewerbeanmeldung zum 17.01.2011 vom 10.02.2011 KG-A Bl. 17, Betriebsstätte „c/o Büroservice E., F.-straße, G.”), die er seinen Auftraggebern jeweils in Rechnung stellte. Die Einsatzorte befanden sich auf unterschiedlichen Baustellen überwiegend in G., aber auch an anderen Orten wie H. und I.. Im Rahmen der Auftragsabwicklung hielt sich der Kläger teils in der Wohnung seines Hauptauftraggebers in G. auf (J., K.-straße, G.) und bei auswärtigen Aufträgen am jeweiligen Auftragsort. Diese Aufenthalte hatten jedoch keinen Umfang, der zu einem gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 Abgabenordnung – AO –) im Inland geführt hätte, weswegen er auf seinen Antrag vom Finanzamt – FA – Cottbus (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 20 Alt. 2 Verordnung über die örtliche Zuständigkeit für die Umsatzsteuer im Ausland ansässiger Unternehmer [Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung – UStZustV –] i. V. m. § 20a Abs. 1 Satz 1 AO) für die Jahre 2011 bis 2013 nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagt wurde. Aus den Bescheiden (für 2011 vom 28.06.2013 KG-A Bl. 64, für 2012 vom 19.05.2014 KG-A Bl. 98, für 2013 vom 22.05.2015 KG-A Bl. 113) ergeben sich jeweils ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Veranlagungen für 2014 und 2015 sind noch nicht abgeschlossen, weswegen die Familienkasse für diese Jahre im Einverständnis mit dem Kläger noch nicht entschieden hat, die Entscheidung vielmehr auf die Zeit bis Ende 2013 beschränkt wurde (KG-A Bl. 125, 170: „Zeitabraumabtrennung bis Dez 13”).
II.1.
Beim Kindergeldantrag vom 06.02.2012 gab die mitunterzeichnende Ehefrau an, sie sei damit einverstanden, dass dem Kläger das Kindergeld gezahlt werde (KG-A Bl. 7).
2.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 22.05.2012 (KG-A Bl. 29) abgelehnt, wogegen der Kläger am 23.05.2012 Einspruch einlegte.
3.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens legte der Kläger im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –, wonach ein Kindergeldanspruch gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b) EStG nur besteht für diejenigen (einzelnen) Monate, in denen der...