rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Personengesellschaft als Organgesellschaft. Wegfall der organisatorischen Eingliederung bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt für die Organgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Selbst wenn der bisherige Organträger einziger Geschäftsführer der Organgesellschaft bleibt, entfällt die organisatorische Eingliederung, wenn für die Organgesellschaft ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt bestellt wird.
2. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass – jedenfalls – Personengesellschaften mit kapitalistischer Struktur wie die GmbH & Co. KG als „juristische Personen” in den Anwendungsbereich einzubeziehen sind.
3. Die Entscheidung darüber, ob für die Organschaft eines Organträgers mit einer Personengesellschaft die neue Rechtsprechung (Personengesellschaft ist geeignete Organgesellschaft) oder die alte Rechtsprechung (nur juristische Personen sind geeignete Organgesellschaften) als Beurteilung herangezogen werden soll, obliegt nach der Struktur einer Organschaft dem Organträger.
4. Für eine Organschaft ist einheitlich zu beurteilen, wer welche Rolle innerhalb der Organschaft einnimmt.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2; AO § 251 Abs. 3; InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 3, § 179 Abs. 1; EGRL 112/2006 Art. 11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die erstattungsfähig sind, werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen, soweit das Verfahren die Umsatzsteuer August 2016 betrifft.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die B… GmbH & Co. KG als Organgesellschaft und der Beigeladene als Organträger (für die Monate August bis Oktober 2016) Teil einer umsatzsteuerlichen Organschaft waren mit der Folge, dass gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter der B… GmbH & Co. KG keine Umsatzsteuer für diesen Zeitraum festgestellt werden kann.
Die B… GmbH & Co. KG ist eine Kommanditgesellschaft, die im Handelsregister des Amtsgerichts C… unter HRA … eingetragen ist. Ihre Komplementärin ist die D… GmbH, deren Anteile der Beigeladene vollständig hält. Dieser ist auch der alleinige Kommanditist der B… GmbH & Co. KG.
Seit August 2015 standen die Grundstücke E…-Straße 10-12, 16 und 18 im Eigentum des Beigeladenen. Die Grundstücke waren zunächst an die B… GmbH & Co. KG vermietet gewesen. Im Jahr 2016 war die B… GmbH & Co. KG noch Mieterin der Nr. 16 (Büro- und Wohnflächen, 1223 m² sowie fünf PKW-Stellplätze, Miete 7.488,00 EUR/Monat kalt) und der Nr. 18 (zwei Lagerhallen mit 405 m² und 756 m², zusammen 1161 m², und Freifläche 2566 m², Miete 4.464,49 EUR/Monat kalt).
Für August und September 2016 hatte die Insolvenzschuldnerin Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht, die jeweils Umsatzsteuervergütungen auswiesen, für Oktober 2016 nicht.
Am 29.08.2016 ging beim Amtsgericht C… ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B… GmbH & Co. KG wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ein.
Dieses ordnete mit Beschluss vom 01.09.2016 die vorläufige Verwaltung des Vermögens der B… GmbH & Co. KG an und bestellte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Nach dem Beschluss waren Verfügungen der Schuldnerin über alle Vermögensgegenstände einschließlich Vermögenswerten oder Rechten, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland belegen sind, nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Insolvenzordnung –InsO–). Den Schuldnern der Schuldnerin (Drittschuldnern) wurde verboten, an die Schuldnerin zu zahlen. Weiter ermächtigte das Amtsgericht C… den vorläufigen Insolvenzverwalter, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner wurden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO).
Am 27.10.2016 erließ der Beklagte Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für August und September 2016.
Das Amtsgericht C… eröffnete mit Beschluss vom 01.11.2016 zum Aktenzeichen …/16 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B… GmbH & Co. KG und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Dieser teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 25.04.2017 mit, dass er eine Organschaft zwischen der B… GmbH & Co. KG als Organgesellschaft und dem Beigeladenen als Organträger festgestellt habe und widerrief alle im Zeitraum 01.01.2016 bis 31.10.2016 für die Gemeinschuldnerin abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen.
Der Beklagte meldete die Forderungen betreffend Umsatzsteuer August 2016, September 2016 und Oktober 2016 zur Insolvenztabelle an (laufende Nummern 4 bis 6 der Tabelle). Der Kläger erhob gegen diese Forderungen im Prüfungstermin Widerspruch und bestritt die Forderungen in voller Höhe. Der Beklagte erläuterte dazu, dass bei der Berechnung September 2016 die Vorsteuer nicht berücksichtigt sei, weil wegen des Antrags auf Eröffnung des Insolvenz...