rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlerhafte Anwendung des Verwitwetensplittings als offenbare Unrichtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Ist ausgeschlossen, dass die fehlerhafte Anwendung der Splittingtabelle auf einer unrichtigen Gesetzesanwendung oder einer unterlassenen Sachverhaltsaufklärung beruht, da der für die anzuwendende Veranlagungsart maßgebliche Sachverhalt in jeder Hinsicht eindeutig bekannt war und der Fehler auf eine Flüchtigkeit oder Gedankenlosigkeit des Veranlagungssachbearbeiters zurückzuführen ist, können die auf Grund eines derartigen Fehlverhaltens unrichtigen Bescheide jederzeit nach § 129 AO korrigiert werden.
Normenkette
AO § 129; EStG § 32a Abs. 6 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte die zunächst ergangenen Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2001 wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 Abgabenordnung – AO – berichtigen durfte.
Die Klägerin ist seit dem 24. November 1998 verwitwet. Für den Veranlagungszeitraum 1999 wurde gemäß § 32a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – das so genannte Verwitwetensplitting angewandt. Die Klägerin reichte am 29. Oktober 2001 Ihre Einkommensteuererklärung für 2000 und am 10. September 2002 ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 bei dem damals zuständigen Finanzamt M ein. Auf Seite 1 des Mantelbogens des Erklärungsvordrucks für beide Jahre hatte sie jeweils in Zeile 7 eingetragen: „verwitwet seit dem 24.11.1998”. Bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärungen der Klägerin hakte der Veranlagungssachbearbeiter die in den einzelnen Zeilen des Erklärungsvordrucks enthaltenen Angaben der Klägerin ab, ohne in den Feldern, die die Kennziffern für die elektronische Datenverarbeitung enthalten, Eintragungen zu machen. Mit Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 23. November 2001, geändert durch den Bescheid vom 02. Oktober 2002, und mit Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 2. Oktober 2002 wurde die Einkommensteuer jeweils unter Anwendung des Splittingtarifs festgesetzt. Mit den nach § 129 AO geänderten Bescheiden vom 22. August 2003 setzte das Finanzamt M die Einkommensteuer nach der Grundtabelle fest und führte zur Begründung an, eine Überprüfung habe ergeben, dass zuvor durch einen Erfassungsfehler die Splittingtabelle angewendet worden sei.
Der dagegen eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2004 des inzwischen für die Veranlagung der Klägerin zuständig gewordenen Beklagten).
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass weder § 129 AO noch eine andere Änderungsvorschrift den Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide rechtfertigen könne. Eine Berichtigung nach § 129 AO wegen einer offenbaren Unrichtigkeit scheide aus, weil der Fehler aus einer sich aufdrängenden, aber unterlassenen Sachaufklärung resultiere. Die Berücksichtigung der unzutreffenden Veranlagungsart beruhe erkennbar nicht auf dem unbeabsichtigten, unrichtigen Ausfüllen des Eingabewertbogens sondern vielmehr darauf, dass die Finanzbehörde es verabsäumt habe, Überlegungen über die zutreffende Veranlagungsart anzustellen. Die Klägerin beruft sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 30. November 1997 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes – BFH/NV – 1998, 419), wonach eine unvollständige Sachverhaltsermittlung nach der Rechtsprechung nur dann unbeachtlich sei, wenn die für die Besteuerung wesentliche Tatsache durch ein mechanisches Versehen unberücksichtigt geblieben sei. Es sei offensichtlich, das im vorliegenden Fall die für die Anwendung der Tabellenart wesentliche Tatsache nicht durch ein mechanisches Versehen unberücksichtigt geblieben sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass bei der Prüfung der Stammdaten die notwendigen Folgerungen aus der zutreffenden Angabe, dass die Klägerin seit dem 24. November 1998 verwitwet sei, nicht gezogen worden seien. Diese Überprüfung habe sich angesichts des Umstandes, dass das so genannte „Gnadensplitting” lediglich im Jahr des Todes des Ehegatten und des Folgejahres Anwendung finde und deshalb im Jahr 2000 insoweit eine Änderung der Stammdaten erforderlich gewesen sei, dem Finanzamt aufdrängen müssen. Dem Erklärungsvordruck sei zu entnehmen, dass der Veranlagungssachbearbeiter die rechtliche Bedeutung des Besteuerungsmerkmals „verwitwet seit dem 24.11.1998” bei der Durchführung beider Veranlagungen schlicht unbeachtet gelassen habe und bewusst die Veranlagungsart des jeweiligen Vorjahres habe anwenden wollen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Einkommensteuerbescheide für 2000 und für 2001, jeweils vom 22. August 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2004 aufzuheben,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verbleibt bei seiner in der Einsp...