Entscheidungsstichwort (Thema)
Rohertrag eines Mietwohngrundstücks. Schätzung der üblichen Miete anhand des Mietspiegels. Nachweislast
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Ermittlung des Rohertrags eines Mietwohngrundstücks ist § 186 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG in der Weise anzuwenden, dass zur Ermittlung der Abweichung der vereinbarten Mieten von der „üblichen Miete” nicht auf den Mittelwert der Mietpreisspanne, sondern auf die unteren bzw. oberen Werte der Mietspiegel-Preisspanne abgestellt wird.
2. Nur wenn die vereinbarte Miete mehr als 20 % über dem oberen Spannenwert oder mehr als 20 % unter dem unteren Spannenwert liegt, ist zur Ermittlung des Rohertrags statt der tatsächlich vereinbarten Miete die übliche Miete anzusetzen. Diese übliche Miete ist gem. § 186 Abs. 2 S. 2 BewG dann in Höhe des Mittelwerts des Mietspiegels zu bemessen.
3. Auf welche Art und Weise die übliche Miete zur Prüfung der 20 %-Grenze zu ermitteln ist, gibt der Gesetzgeber nicht vor. Letztlich handelt es sich um eine Schätzung gem. § 162 AO, bei der alle Umstände, die für die Schätzung von Bedeutung sind, zu berücksichtigen sind.
4. Weicht die tatsächlich vereinbarte Miete um mehr als 20 % nach oben von der üblichen Miete ab, liegt es im eigenen Interesse des Steuerpflichtigen, die Abweichung nachzuweisen, ihn trifft also in diesem Fall die Nachweislast.
Normenkette
BewG § 181 Abs. 3, § 182 Abs. 3 Nr. 1, § 184 Abs. 1, §§ 185, 186 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; AO § 162
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die zutreffende Höhe eines gesondert festgestellten Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftsteuer (Bedarfswert). Strittig ist in erster Linie die Rechtsfrage, ob bei Abweichung der vereinbarten Miete von der „üblichen Miete” um mehr als 20 % gemäß § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bewertungsgesetz – BewG – auf den Mittelwert des Mietspiegels oder aber auf die obersten bzw. untersten Spannenwerte des Mietspiegels abzustellen ist.
Der Kläger ist Erbe seiner am 14. Februar 2012 verstorbenen Mutter; zum Nachlass gehörte unter anderem das mit einem Gebäude mit 14 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit bebaute Grundstück B.-straße in C.. Schon vor dem Tod seiner Mutter war der Kläger zu einem Drittel Miteigentümer dieses Grundstücks; durch den Erbfall hat er dementsprechend den Bruchteil von zwei Dritteln, der seiner Mutter gehörte, hinzuerworben.
Unter dem 16.01.2014 übersandte die Erbschaftsteuerstelle des beklagten Finanzamts D. die vom Kläger am 23.12.2013 eingereichte Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts an die Bewertungsstelle im eigenen Haus mit der Aufforderung, den Grundbesitzwert auf den 14. Februar 2012 für Zwecke der Erbschaftsteuer gesondert festzustellen.
Mit Bescheid vom 20.06.2014 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 14. Februar 2012 für Zwecke der Erbschaftsteuer stellte der Beklagte den Grundbesitzwert der wirtschaftlichen Einheit B.-straße in C. auf 1.469.646 EUR sowie den Anteil des Klägers hieran (zwei Drittel) auf 979.764 EUR fest. Bei der Feststellung folgte der Beklagte im Wesentlichen den Angaben des Klägers in der Feststellungserklärung; er wich lediglich bei der Ermittlung des Gebäudeertragswerts (§ 185 BewG) insoweit von den Angaben des Klägers ab, als er statt von einer Jahresrohmiete in Höhe von erklärten 110.160 EUR von einem jährlichen Rohertrag des Grundstücks von 130.272 EUR ausging. Alle übrigen Parameter der gesonderten Feststellung, wie z.B. Bodenwert, Restnutzungsdauer des Gebäudes, Prozentsatz der pauschalierten Bewirtschaftungskosten sowie Liegenschaftszinssatz stimmten im Feststellungsbescheid mit den erklärten Angaben des Klägers überein.
Mit Schreiben vom 24.06.2014 legte der Kläger, vertreten durch den hiesigen Prozessbevollmächtigten, Einspruch gegen den Feststellungsbescheid ein. Zur Begründung führte er aus, der vom Beklagten vorgenommene überwiegende Ansatz der vereinbarten Nettokaltmieten bei der Ermittlung des Jahresrohertrags sei nicht nachvollziehbar. Gemäß § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG sei für Grundstücksteile, die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen habe, die übliche Miete statt der vereinbarten Miete anzusetzen. Die übliche Miete könne aus Mietspiegeln abgeleitet werden. Nach dem aktuellen C. Mietspiegel für 2013 betrügen die Durchschnittsmieten für derartige Wohnungen von 40 bis unter 60 m² 6,17 EUR/m², für Wohnungen von 60 bis unter 90 m² 6,03 EUR/m² und für über 90 m² große Wohnungen 5,77 EUR/m². Von den 15 Mieteinheiten im Hause B.-straße sei dementsprechend unter Berücksichtigung der 20 %-Grenze des § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG lediglich bei vier Einheiten die vereinbarte Nettokaltmiete anzusetzen und bei den übrigen elf Einheiten die übliche Miete mit dem Mietspiegel-Mittelwert. Diese Berechnung ergebe einen jä...