Entscheidungsstichwort (Thema)
Auf starke Rückenbeschwerden zurückzuführende Aufwendungen für eine automatische Thermoliege, die eine Thermomassage durchführt, als außergewöhnliche Belastungen. Begriff des „allgemeinen Gebrauchsgegenstandgegenstandes des täglichen Lebens” i. S. d. § 33 Abs. 1 SGB V
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine der Linderung oder Heilung von Rückenschwerden dienende automatische Thermoliege, die eine Thermomassage durchführt, ist als ein zu den allgemeinen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i. S. v. § 33 Abs. 1 SGB V gehörendes medizinisches Hilfsmittel i. S. v. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStDV anzusehen, bei denen der Steuerabzug als außergewöhnliche Belastung ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erfordert; der Senat folgt für den Begriff des „allgemeinen Gebrauchsgegenstandgegenstandes des täglichen Lebens” der Rspr. des BSG (v. 16.9.1999, B 3 KR 1/99) und weicht von der Rspr. des BFH (v. 6.2.2014, VI R 61/12 sowie v. 29.3.2012, VI R 21/11) ab.
2. Die sozialrechtliche Rechtsprechung geht von einem weiten Typusbegriff des „allgemeinen Gebrauchsgegenstandes” aus und stellt auf die Zweckbestimmung des Hilfsmittels aus Hersteller- und Benutzersicht ab. Danach sind Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt sowie hergestellt worden sind und die ausschließlich oder ganz überwiegend auch von diesem Personenkreis benutzt werden, nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen; das gilt selbst dann, wenn sie millionenfach verbreitet sind (z. B. Brillen, Hörgeräte). Umgekehrt ist ein Gegenstand auch trotz geringer Verbreitung in der Bevölkerung und trotz hohen Verkaufspreises als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen, wenn er schon von der Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und Behinderte gedacht ist.
Normenkette
EStG 2011 § 33 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 4; EStDV § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e, § 84 Abs. 3f; SGB V § 33 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Am 18.1.2011 kaufte der Kläger die „medizinische Therapieliege” C. zu einem Preis von 2.616,00 EUR. Nach den Angaben des Herstellers auf seiner Internetseite handelt es sich um eine automatische Thermoliege, die eine Thermomassage durchführt. Die Anwendung soll zur Unterstützung der Muskelentspannungstherapie und der phasenweise Erleichterung kleinerer Muskel- und Gelenkschmerzen, Steifigkeit und Erhöhung der Blutzirkulation führen. Die Erzeugung der Ferninfrarotstrahlung, die die Liege vornimmt, wird durch das Aufheizen von kugelförmigen Jade-Steinen mit Hilfe von Halogenlampen erreicht. Diese Kugeln sind so auf einem Schlitten in der Mitte der Liege befestigt, dass sie – in der Regel dreimal während einer 40-minütigen Standardtherapie – rechts und links der Wirbelsäule entlang geführt werden. Anschließend werden gezielt 14 bestimmte Punkte entlang der Wirbelsäule angefahren, an denen es zu einer 2-minütigen lokalen Temperaturübertragung, verbunden mit einem Akupressureffekt, kommt.
Die Aufwendungen für die Liege erklärten die Kläger in ihrer Steuererklärung 2011 als außergewöhnliche Belastungen. Der Erklärung war ein Schreiben der Fachärztin für Allgemeinmedizin D. – undatiert, aber wohl vom 29.3.2012 – beigefügt, wonach dem Kläger medizinische Massagen in Form einer medizinischen Therapieliege empfohlen werden. Mit Einkommensteuerbescheid vom 14.9.2011 versagte der Beklagte die Anerkennung dieser Aufwendungen mit der Begründung, dass allgemeine Gesundheitsvorsorge nicht steuerbegünstigt und ein amtsärztliches Attest nicht vorgelegt worden sei.
Im folgenden Einspruchsverfahren legten die Kläger ein von D. am 31.10.2012 ausgestelltes ärztliches Attest vor, wonach die Klägerin seit 1997 unter Rückenschmerzen leide. Der Erwerb einer medizinischen Therapieliege sei gerechtfertigt gewesen und empfohlen worden. Er habe den Erfolg gehabt, dass keine Arbeitsunfähigkeit mehr aufgetreten sei, Arztbesuche drastisch reduziert worden seien, der Medikamentenverbauch zurückgegangen sei und vom Hausarzt keine Heil- und Hilfsmittel mehr verordnet worden seien. Ferner legten die Kläger eine amtsärztliche Bescheinigung einer Ärztin des amtsärztlichen Dienstes des Landkreises E. vom 7.12.2012 vor, die der Klägerin chronische Wirbelsäulenbeschwerden seit Jahren bestätigte und feststellte, dass die medizinische Therapieliege geeignet sei, Rückenschmerzen durch muskuläre Verspannungen zu lindern. Die Liege diene damit der Gesunderhaltung.
Mit Einspruchsentscheidung vom 3.3.2014 wies der Beklagte den Einspruch mit der Begründung zurück, dass die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch ein im Vorhinein bestelltes amtsärztliches Gutachten nachzuweisen sei. Die vorgelegte amtsärztliche Bescheinigung vom 7...