Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. kein Unterhaltsanspruch eines Kindes gegenüber dem Vater des eigenen Kindes nach § 1615l BGB bei fehlender Erwerbstätigkeit wegen Fortsetzung des Hochschulstudiums

 

Leitsatz (redaktionell)

In die beim Kindergeldanspruch für ein studierendes, nicht verheiratetes, aber mit dem Vater ihres eigenen Kindes zusammenlebendes Kind zu beachtende Jahresgrenzbetragsberechnung gem. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG ist ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kindsvater gem. § 1615l BGB nicht einzubeziehen, wenn ein solcher nicht besteht, nach dem die Tochter aufgrund der intensiv und konsequent betriebenen Fortsetzung des Studiums nach Ablauf des Mutterschutzes nicht die vollzeitliche Kindesbetreuung übernimmt und somit aufgrund des Studiums und nicht wegen der Kinderpflege an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert ist.

 

Normenkette

EStG 2002 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, S. 2; BGB § 1615l

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.05.2014; Aktenzeichen III R 50/13)

BFH (Urteil vom 08.05.2014; Aktenzeichen III R 50/13)

 

Tenor

Der Bescheid vom 19. Oktober 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04. November 2008 wird aufgehoben. Ferner wird die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 09. November 2006 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 04. November 2008 verpflichtet, Kindergeld auch für die Monate November und Dezember 2006 festzusetzen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine positive Kindergeldfestsetzung für ihre am 11. Februar 1983 geborene Tochter B. für den Zeitraum Januar 2005 bis Dezember 2006.

Die Tochter der Klägerin absolvierte im Streitzeitraum an der Universität C. ein Psychologiestudium. Nach der Diplomprüfungsordnung der Universität gliedert sich das Studium in einen ersten Abschnitt von vier Semestern, der mit der Diplomvorprüfung abgeschlossen wird, und einen zweiten Studienabschnitt von vier Semestern, an den sich die Diplomarbeit von sechs Monaten Dauer anschließt, und der mit der Diplomprüfung abgeschlossen wird. Während des 5. Hochschul- und 4. Fachsemesters wurde die Tochter der Klägerin am 22. Januar 2005 selbst Mutter eines Sohnes. Mit dem Kindesvater, mit dem sie nicht verheiratet war, lebte sie im fraglichen Zeitraum in einem gemeinsamen Haushalt. Der Kindesvater war im Streitzeitraum erwerbstätig. Die Tochter hat die mündliche Diplomprüfung im Dezember 2007 abgelegt und das Studium nach bestandener Diplomprüfung im Januar 2008 beendet.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 2006 wurde die bisherige Kindergeldfestsetzung gemäß § 70 Abs. 4 EStG gegenüber der Klägerin ab Januar 2005 aufgehoben und bisher für diesen Zeitraum gezahltes Kindergeld von der Klägerin gemäß § 37 Abs. 2 AbgabenordnungAO – zurückgefordert. Die Begründung des Aufhebungsbescheides wurde darauf gestützt, dass die Tochter im maßgeblichen Zeitraum Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung geeignet und bestimmt seien, in einer über dem Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EinkommensteuergesetzEStG – liegenden Höhe zur Verfügung hatte, so dass ein Kindergeldanspruch ausgeschlossen sei. Aus der dem Aufhebungsbescheid beigefügten Berechnung der Einkünfte und Bezüge des Kindes ist ersichtlich, dass hierbei der Tochter – neben als Ausbildungsbeihilfe gewährten Zuschüssen – Unterhaltsleistungen in Höhe von 11.976,15 EUR als Bezüge zugerechnet wurden. Der Hintergrund dieser angerechneten Unterhaltsleistungen wurde weder im Bescheid noch in der Anlage benannt.

Mit weiterem Bescheid vom 09. November 2006 wurde der Antrag auf Festsetzung des Kindergeldes für die Tochter B. für den Zeitraum November bis Dezember 2006 abgelehnt. Zur Begründung wurde auf den Aufhebungsbescheid vom 19. Oktober 2006 verwiesen.

Die Klägerin legte gegen die Bescheide vom 19. Oktober 2006 und 09. November 2006 jeweils fristgemäß Einspruch ein. Soweit in der dem Bescheid beigefügten Einkünfte und Bezügeberechnung für das Kalenderjahr 2005 bzw. Prognoseberechnung hierzu für das Kalenderjahr 2006 Unterhaltsleistungen angerechnet worden seien, gehe sie davon aus, dass es sich hierbei um die Hälfte des Unterschiedsbetrages zwischen dem Gesamtbetrag der Einkünfte und Bezüge der Tochter und dem Nettoeinkommen des Vaters des Enkelkindes handle. Eine derartige typisierende Unterstellung einer Unterhaltsleistung, die tatsächlich nicht erbracht worden sei und für die im konkreten Fall auch kein Rechtsgrund bestanden habe, sei jedoch rechtswidrig. So habe bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 18. Mai 2006 III R 26/05 auf die konkrete Unterhaltsverpflichtung abgestellt. Nur wenn eine solche zwischen dem Kindesvater und der unverheirateten Mutter bestehe...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge