Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei Aufhebung eines Kaufvertrags und Veräußerung der Immobilie an eine Schwestergesellschaft der ersten Erwerberin unter Vereinbarung des unmittelbaren rückwirkenden Übergangs von Nutzen und Lasten von der Ersterwerberin auf die Zweiterwerberin
Leitsatz (redaktionell)
Wird ein Kaufvertrag aufgehoben, weil der Veräußerer infolge Insolvenz seine vertraglichen Pflichten nicht voll erfüllen kann, und wird die Immobilie vom Insolvenzverwalter noch am gleichen Tag an eine gesellschafteridentische Schwestergesellschaft der ersten Erwerberin veräußert, weil die Muttergesellschaft von Erst- und Zweiterwerberin die bislang getätigten Investitionen nicht verfallen lassen will, so steht es einer Rückgängigmachung i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht entgegen, wenn zwar einserseits Besitz, Nutzungen und Lasten unmittelbar rückwirkend von der ersten auf die zweite Erwerberin der Immobilie übergehen, dies auch im Interesse der ersten Erwerberin erfolgt, und wenn der Insolvenzverwalter für die in Insolvenz gefallene Veräußerin die ursprüngliche Rechtsposition somit nicht in vollem Umfang zurückerlangt, wenn aber andererseits der ersten Erwerberin keine Rechtsposition im Sinne einer an § 1 Abs. 2 GrEStG orientierten Verwertungsbefugnis verblieben ist und sie somit eine solche Rechtsposition auch nicht im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung im eigenen wirtschaftlichen Interesse bzw. im wirtschaftlichen Interesse der Muttergesellschaft tatsächlich verwertet hat.
Normenkette
GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 2; BGB § 854 Abs. 1-2
Nachgehend
Tenor
Der Ablehnungsbescheid vom 16. Oktober 2002 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. August 2004 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. April 2001 aufzuheben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der B. GmbH –, die wiederum zu 40 % an der C. GmbH beteiligt war. Diese Gesellschaft beabsichtigte, das ihr gehörende Objekt X. in Y. nach umfangreichen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen in Eigentumswohnungen aufzuteilen und zu veräußern. Als Generalübernehmer wurde die D. AG beauftragt. Die E. Bank finanzierte das Vorhaben.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Dezember 2000 (UR-Nr. … des Notars M.) erwarb die Klägerin verschiedene Eigentumswohnungen und Stellplätze von der C. GmbH. Der vereinbarte Gesamtkaufpreis betrug rd. 9,8 Mio. DM. Nach den vertraglichen Vereinbarungen standen der Klägerin als Käuferin die Gewährungsleistungsrechte nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch – BGB – für Mängel am Gebäude gegen die C. GmbH, die außerdem die lastenfreie Übereignung schuldete, zu. Für die verkauften Einheiten bestand ein Wohngeldrückstand. Nach Eintragung von Auflassungsvormerkungen für die Klägerin im Grundbuch kam es aber zu einer Eigentumsumschreibung nicht, vielmehr wurde am 9. April 2001 über das Vermögen der C. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt N. zum Insolvenzverwalter bestellt.
Durch Bescheid vom 27. April 2001 setzte der Beklagte für den Erwerb des o.g. Grundstückes durch die Klägerin die Grunderwerbsteuer in Höhe von 344.373,– DM bestandskräftig fest.
In der Folgezeit stellte sich heraus, dass das Gebäude insgesamt erhebliche Mängel aufwies. Der Insolvenzverwalter teilte mit Schreiben vom 17. August 2001 mit, dass er die von der C. GmbH gegenüber der Klägerin geschuldete Lastenfreistellung nicht herbeiführen könne. Deshalb weigerte sich die Klägerin, den geschuldeten Kaufpreis zu zahlen. Daraufhin wurde der Kaufvertrag vom 19. Dezember 2000 durch notarielle Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter am 20. Dezember 2001 (UR-Nr. …des Notars M.) aufgehoben.
Ebenfalls von dem Insolvenzverwalter erwarb die F. GmbH, eine weitere 100 %ige Tochtergesellschaft der B. GmbH, am 20. Dezember 2001 die Eigentumswohnungen und Stellplätze, die Gegenstand des Aufhebungsvertrages mit der Klägerin waren (UR-Nr. … des Notars M.), sowie mit Kaufvertrag vom 26. April 2002 (UR-Nr. … des Notars M.) u.a. Wohn- und Gewerbeeinheiten der Käufer „O.” und „P.”, deren Finanzierungen gescheitert waren. Die F. GmbH zahlte einen Kaufpreis von 6,8 Mio. DM. Sie übernahm das Grundstück mit dem mangelbehafteten Gebäude und – im Kaufvertrag vom 26.April 2002 – sämtliche in den Abteilungen II und III der jeweiligen Grundbücher eingetragenen Lasten. Ferner verzichtete sie auf Mängelgewährleistungsansprüche gegenüber dem Insolvenzverwalter in den beiden Kaufverträgen. In § 10 der Vert...