Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt des Enstehens von Prozesszinsen im mehrstufigen Verfahren (Grundsteuer)
Leitsatz (redaktionell)
1. Nimmt das Finanzamt nach der rechtskräftigen gerichtlichen Aufhebung eines rechtswidrigen Grundlagenbescheids (hier: Einheitswertfeststellung) die nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gebotene Herabsetzung der Steuer in Folgebescheiden (hier: Grundsteuermessbescheid sowie Grundsteuerbescheid) nicht vor und erlässt es stattdessen einen zweiten rechtswidrigen Grundlagenbescheid, der durch eine weitere rechtskräftige gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird, so entstehen Prozesszinsen nach § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO und § 236 Abs. 1 AO nicht bereits seit der Rechtshängigkeit des ersten mit rechtskräftigem Urteil abgeschlossenen Verfahrens über die Aufhebung des Grundlagenbescheids, sondern erst ab Rechtshängigkeit des zweiten gerichtlichen Verfahrens.
2. Zu Prozesszinsen führt eine Herabsetzung der Steuer in einem Folgebescheid nur dann im Sinne des § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a Alt. 2 AO, wenn eine unmittelbare Ursächlichkeit der gerichtlichen Entscheidung für die (außergerichtliche) Herabsetzung der Steuer im Folgebescheid besteht; eine nur mittelbare Ursächlichkeit der gerichtlichen Entscheidung reicht nicht aus. Deshalb genügt es z. B. für die Entstehung eines Anspruchs auf Prozesszinsen nicht, wenn ein rechtshängig gemachtes und sodann in der Hauptsache erledigtes finanzgerichtliches Verfahren eine bloße Mitursache für die spätere Herabsetzung der Steuer gesetzt hat (BFH, Urteil v. 29.8.2012, II R 49/11).
Normenkette
GrStG § 20 Abs. 1 Nr. 1; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 236 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 9/10 und dem Beklagten zu 1/10 auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten – nachdem die Grundsteuermessbeträge auf den 01. Januar 2003 und 01. Januar 2005 sowie die Grundsteuer ab 2003 auf jeweils 0,00 EUR während des vorliegenden Klageverfahrens geändert festgesetzt worden sind und die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, weshalb das Verfahren insoweit mit Beschluss vom 30. Oktober 2018 unter dem Aktenzeichen 3 K 3213/18 abgetrennt und eingestellt worden ist – über die Höhe der Prozesszinsen nach § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) Abgabenordnung – AO – als weiteren Verfahrensgegenstand. Der Beklagte hat in seinem während des Verfahrens zugunsten der Klägerin erteilten Zinsbescheid über 30.096,00 EUR vom 23. Juli 2018, der nach § 68 Finanzgerichtsordnung – FGO – Gegenstand des Verfahrens geworden ist, auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit im Verfahren 3 K 3224/16 betreffend u.a. den Einheitswertbescheid auf den 01. Januar 1991 (Nachfeststellung) als Beginn des Zinslaufs abgestellt. Dabei folgte die Herabsetzung der Grundsteuermessbeträge und der Grundsteuer auf jeweils 0,00 EUR mit Bescheiden vom 08. Juni, 12. Juni und 14. Juni 2018 wegen der Herabsetzung des Einheitswerts auf 0 EUR im vorangegangenen Verfahren 3 K 3224/16. Dagegen ist die Klägerin der Auffassung, dass auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit im Verfahren 3 K 3210/09 (13. November 2009) als Beginn des Zinslaufs abzustellen sei, weil dort die Nichtigkeit der vorangegangenen Zurechnungsfortschreibungsbescheide auf den 01. Januar 2002 und 01. Januar 2005 durch Urteil festgestellt worden sei, ohne dass der Beklagte die Grundsteuermessbescheide und die Grundsteuerbescheide als Folgebescheide aufgehoben hat, nach Meinung der Klägerin aber hätte aufheben müssen.
Gegenstand der Einheitsbewertung, der Veranlagung des Grundsteuermessbetrags und der Grundsteuer war das der Botschaft der vormaligen X, jetzt der Y-Föderation, benachbarte Grundstück B… in C…, das für Botschaftszwecke aufgrund Vereinbarung der DDR mit der vormaligen X genutzt wurde. Zu DDR-Zeiten wurde es nicht zur Grundsteuer herangezogen. Dabei ist Streitgegenstand nur der Grund und Boden, nicht das als Gebäude auf fremdem Grund und Boden behandelte Botschaftsnebengebäude. Unter nachrichtlicher Mitteilung des Einheitswerts auf den 01. Januar 1937 von 549.000 RM bzw. 549.000 DM nach dem Verhältnis 1: 1 nahm der Beklagte auf den 01. Januar 2002 eine Zurechnungsfortschreibung zu ½ auf die Bundesrepublik Deutschland und zu ½ auf die Mitglieder einer Erbengemeinschaft vor, bestehend aus Frau D… und der E… GmbH.
Entsprechend der Regelung des Gesetzes über die Anstalt A… (BImAG) vom 09. Dezember 2004, wonach zum 01. Januar 2005 die rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts an die Stelle der Bundesvermögensämter trat, die gem. § 2 Abs. 6 BImAG den Bund im Rechtsverkehr...