Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Berücksichtigung der Vorjahresverluste von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben körperschaftsteuer befreiter Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen bei Ermittlung der Einkünfte dieser Körperschaften, Personenvereinigungen bzw. Vermögensmassen nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG und damit auch bei der Berechnung der Kapitalertragsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Grundsätze des BFH-Urteils v. 23.1.2008 – I R 18/07, wonach Verluste, die ein als Regiebetrieb geführter Betrieb gewerblicher Art erzielt, im Verlustjahr als durch die Trägerkörperschaft ausgeglichen gelten und zu einem Zugang in entsprechender Höhe im steuerlichen Einlagekonto führen, und wonach der für den Betrieb gewerblicher Art festgestellte steuerrechtliche Verlustvortrag nicht mit den Einkünften der Trägerkörperschaft aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG zu verrechnen ist, sind auch auf die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe von der Körperschaftsteuer befreiter Körperschaften, Personenvereinigungen bzw. Vermögensmassen entsprechend anzuwenden.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst.b Sätze 1-2, 4, § 44 Abs. 5, § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst.c; KStG § 4; AO § 14

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.03.2021; Aktenzeichen VIII R 1/18)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Dem Kläger werden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Bei dem Kläger handelt es sich um einen von der Körperschaftsteuer befreiten Berufsverband. In den Jahren 2007 und 2008 erwirtschaftete der Kläger Einnahmen bzw. einen Gewinn aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb i.H.v. 445.922,13 EUR/38.620,12 EUR in 2007 und 283.252,98 EUR/8.880,65 EUR in 2008. Aufgrund bestehender Verlustvorträge wurden mit Bescheiden vom 15. April 2009 und 1. Februar 2010 bzw. Änderungsbescheiden vom 23. Februar 2010 die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbeträge für die Kalenderjahre 2007 und 2008 jeweils auf null Euro festgesetzt. Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Einlagekontos gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG wurde der Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2006 auf 0,00 EUR festgestellt, die Neurücklagen betrugen 192.042 EUR.

Der Kläger übersandte auf Aufforderung Kapitalertragsteueranmeldungen über jeweils null Euro. Der Beklagte erließ am 8. März 2012 für entgangene Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag einen Haftungsbescheid gegen die Klägerin. Er vertrat die Auffassung, der Kläger ermittle den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich, weil die Umsatzsteuer nicht in die Gewinnermittlung einbezogen worden sei. Die Gewinne aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb seien steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen. Zur Begründung führte er aus, dass nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG Verluste, die vor dem Kalenderjahr 2002 entstanden seien, nicht zu einem Zugang im steuerlichen Einlagenkonto führten. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen minderten daher nicht den zum 31. Dezember 2001 festgestellten steuerlichen Verlustvortrag. Die Gewinne des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs seien nicht den Rücklagen zugeführt worden, weshalb sie der Kapitalertragsteuer zu unterwerfen seien.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch. Die Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer sei der verwendbare Gewinn des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, der sich nach den Grundsätzen des BMF- Schreibens vom 10. November 2005 ermittle. Darin werde ausgeführt, dass zur Ermittlung des verwendbaren Gewinns die Beträge für den Ausgleich von Fehlbeträgen aus früheren Wirtschaftsjahren abzuziehen seien. Die Begründung im Haftungsbescheid beträfe jedoch den Bestand des Einlagenkontos. Zur Frage, ob der bereits zum 31. Dezember 2001 festgestellte vortragsfähige Verlust eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes bei den Gewinnen in den Folgejahren zu berücksichtigen sei, gebe es bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Eine Ableitung aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23 Januar 2008 sei nicht möglich, da dieses Verfahren einen Regiebetrieb betreffe. Zum anderen seien in dem dortigen Verfahren Einkünfte aus Kapitalvermögen der Trägerkörperschaft nicht mit dem besagten Verlustvortrag verrechnet worden. Im Streitfall gehe es jedoch um die Frage, ob überhaupt ein Überschuss existiere, bei dem man unterstellen könne, dass dieser als ausgeschüttet zu gelten habe. Da der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb per Saldo über die Jahre hinweg keinen Überschuss erzielt habe, gebe es auch keinen Gewinn, den der Verein habe auskehren können.

Aus dem BMF-Schreiben gehe nicht hervor, dass lediglich handelsrechtliche Verluste ausgeglichen werden könnten. Zudem handele es sich bei dem Verlust aus den Vorjahren um einen handelsrechtlichen Verlust. Aus Sicht der angemessenen Berücksichtigung von angefallenen Verlusten könne nur der Abzug der geltend gemachten steuerlichen Verlustvorträge bei der Bemessungsgrundlage der Kapitalertragsteuer der richtige Ansatz sein. Nach dem Systemwechsel...

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