Entscheidungsstichwort (Thema)
Behandlung mehrerer Gesellschaften als ein einheitliches verbundenes Unternehmen bei der Beurteilung des KMU-Status als Voraussetzung für eine erhöhte Investitionszulage nach § 2 Abs. 7 InvZulG 2005
Leitsatz (redaktionell)
1. Mehrere zumindest in benachbarten Märkten tätige Gesellschaften, bei denen eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen die Mehrheit der Stimmrechte hält, bilden ein „Verbundenes Unternehmen” i. S. d. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs zur Empfehlung der Kommission vom 6.5.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (– KMU-Empfehlung –, Amtsblatt der Europäischen Union v. 20.5.2003, Nr. L 124, 36), wenn die Unternehmen bei einer Gesamtabwägung aller Umstände aus wirtschaftlicher Sicht als Einheit handeln.
2. Allein das Fehlen von Streitigkeiten oder Interessengegensätzen zwischen den beteiligten natürlichen Personen (im Streitfall: zwei Brüder) reicht hierfür zwar nicht aus, für die Annahme eines „Verbundenen Unternehmens ist aber andererseits auch keine rechtliche Vereinbarung durch einen Stimmrechtsbindungsvertrag oder ähnliches zwischen den natürlichen Personen erforderlich. Die gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen i. S. d. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs zur KMU-Empfehlung ist aus systematischer Sicht nicht auf eine durch Beziehungen i. S. d. Unterabs. 1 verbundene Gruppe beschränkt.
3. Für die Gesamtabwägung, ob mehrere Unternehmen aus wirtschaftlicher Sicht als Einheit handeln, können sowohl reine Innenbeziehungen (z. B. Gewährung von Darlehen, interne Liefer- und Leistungsbeziehungen) als auch Außenwirkungen (z. B. Gewährung von Sicherheiten, gemeinsamer Marktauftritt bei Kunden oder Lieferanten) von Bedeutung sein (im Urteilsfall: Annahme eines verbundenen Unternehmens wegen umfangreicher Liefer-, Leistungs- und Finanzierungsbeziehungen zwischen den einzelnen beteiligten Unternehmen, teilweiser Identität der Geschäftsführung, Überschneidungen im Kundenbereich sowie infolge der teilweisen Einrichtung gesellschaftsübergreifender Rabattsysteme, einer verstärkter gesellschaftsübergreifender Kooperation im Einkaufsbereich sowie eines einheitlichen Internetauftritts als international tätige Unternehmensgruppe).
Normenkette
InvZulG 2005 § 2 Abs. 7
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die ehemalige B GmbH & Co. KG – B KG – als kleines und mittleres Unternehmen im Sinne von § 2 Abs. 7 Investitionszulagengesetz – InvZulG – 2005 anzuerkennen ist und damit der Klägerin für Investitionen der B KG eine erhöhte Investitionszulage zusteht.
An der B KG waren die Herren H und R zu jeweils 50 von Hundert als Kommanditisten beteiligt. Entsprechend der Beteiligungsquote standen ihnen jeweils 50 von Hundert der Stimmrechte der B KG zu. Hinsichtlich der Ausübung dieser Stimmrechte bestanden zwischen den Gesellschaftern keine Vereinbarungen, insbesondere keine Stimmrechtsbindungs- oder Poolverträge. Allein vertretungsberechtigte Geschäftsführerin der B KG war deren persönlich haftende Gesellschafterin, die B Verwaltungs-GmbH, die ihrerseits von Herrn T als Geschäftsführer vertreten wurde. Die Kommanditisten hielten auch jeweils 50 von Hundert des Stammkapitals der Komplementär-GmbH. Das Vermögen der B KG ging zum 31. Dezember 2008 im Wege der Anwachsung auf die Klägerin über.
An der Klägerin waren im Streitjahr Herr H zu 75,5 von Hundert und Herr R zu 24,5 von Hundert als Kommanditisten sowie die A Verwaltungsgesellschaft mbH als Komplementärin beteiligt. Die Mehrheit der Stimmrechte stand Herrn H zu. Gesellschafter der allein vertretungsberechtigten Komplementär-GmbH waren Herr H (55 von Hundert des Stammkapitals) und Herr R (45 von Hundert des Stammkapitals). Für die KomplementärGmbH handelten unter anderem Herr H als allein vertretungsberechtigter und Herr T als gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Die Klägerin war zu jeweils 100 von Hundert an der W Sp. z o.o. – W Sp. z o.o. – und der F GmbH beteiligt. Letztere hielt seit dem Jahr 2005 das gesamte Stammkapital der N GmbH – N GmbH –.
Eine weitere Schwestergesellschaft der Klägerin war die I GmbH & Co. Betriebs KG – I KG –, deren Beteiligungsstruktur und Stimmrechtsverteilung der Klägerin entsprach. Als Komplementär-GmbH diente die I Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eine Tochtergesellschaft der Klägerin, deren allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer unter anderem Herr H war.
An der S Werke GmbH & Co. Betriebs KG – S KG – waren dagegen Herr H zu 55,8 von Hundert und Herr R zu 44,2 von Hundert als Kommanditisten beteiligt. Als Komplementärin diente die S Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Stammkapital zu 30,8 von Hundert von der Klägerin und zu 69,2 von Hundert von der I KG gehalten wurde. Herr H war allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Komplementär-GmbH.
Geschäftsgegenstand der...