Entscheidungsstichwort (Thema)
Investitionsabzugsbetrag. Nachweis der Investitionsabsicht bei in Gründung befindlichen Betrieben. nachträgliche Antragstellung möglich. kein Finanzierungszusammenhang erforderlich
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei in Gründung befindlichen Betrieben sind an den Nachweis der Investitionsabsicht besonders strenge Anforderungen zu stellen. Im jeweiligen Einzelfall ist aus der Sicht am Ende des Wirtschaftsjahres, für das der Steuerpflichtige den Investitionsabzugsbetrag (IAB) geltend macht, konkret zu prüfen, ob er beabsichtigt, das begünstigte Wirtschaftsgut voraussichtlich innerhalb der drei folgenden Wirtschaftsjahre anzuschaffen oder herzustellen.
2. Es steht der Inanspruchnahme eines IAB nicht entgegen, wenn der Steuerpflichtige den Antrag auf Gewährung des IAB nicht bereits in der erstmals für das Abzugsjahr abgegebenen Steuererklärung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt stellt.
3. Ein zusätzliches (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal des „Finanzierungszusammenhangs” ist bei der Anwendung des § 7g EStG in der ab dem Veranlagungszeitraum 2008 geltenden Fassung nicht (mehr) zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. a
Tenor
Der Bescheid über Einkommensteuer für 2008 vom 27. September 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2014 wird mit der Maßgabe gemäß § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung geändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um zu berücksichtigende Investitionsabzugsbeträge in Höhe von 179.129,82 EUR gemindert werden.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Klägers, im Jahr 2008 (Streitjahr) Investitionsabzugsbeträge (IAB) nach § 7g Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) in Anspruch zu nehmen.
Der Kläger war einziger Gesellschafter der B. Limited mit Sitz in C., D.-straße (zugleich Wohnanschrift des Klägers). Er war als angestellter Geschäftsführer für diese Gesellschaft tätig und erzielte hieraus bis 31. März des Streitjahres Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im April 2008 veräußerte er seine Anteile an der Gesellschaft für einen Kaufpreis von 430.000 EUR an die E… Limited (London). Dabei erzielte er einen nach dem Halbeinkünfteverfahren steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von 214.928 EUR. Den erhaltenen Kaufpreis legte der Kläger an und erzielte hieraus im Streitjahr Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Im August 2008 erwarb der Kläger für 205.000 EUR ein ca. 2.500 m² großes Grundstück in C., F.-straße. Das Grundstück war mit einem zweigeschossigen Lagergebäude mit zwei Einliegerwohnungen und Bürotrakt bebaut. Zum 1. Oktober 2008 erstellte der Kläger einen „Business Plan” über einen einzelunternehmerischen Betrieb namens „G.”. Als Gegenstand des Betriebs sah der Plan die Konzeption, das Designen und die Herstellung von hochwertigen Verpackungen aus Karton, Metall und Kunststoff vor. Die erworbene Immobilie F.-straße sollte dazu bis Ende 2009 zu einem innovativen Design- und Produktionszentrum ausgebaut werden. In einem Abschnitt „Investitionsplan” waren beabsichtigte Investitionen in Design-Software, Plotter, Computer, Drucker, „CNC” sowie in das Prägen, Falten und Kleben und in den Transport dargestellt, die sich in den Jahren 2008 bis 2012 auf 753.000 EUR belaufen sollten. In einer prognostizierten Gewinn- und Verlustrechnung waren Umsatzerlöse aus Kartonagen vorgesehen, die sich von rund 1 Mio. EUR (2009) auf bis zu 2,8 Mio. EUR (2012) steigern sollten. Daneben sollten „Zinsen, ähnlicher Ertrag” in Höhe von jährlich 75.000 EUR erwirtschaftet werden. In einem Abschnitt „Technische Ausstattung” stellte der Business Plan unter anderem eine Fräsmaschine (Superior 1200 S), verschiedene „Pressing Machines”, eine Laminiermaschine sowie eine Maschine zum Aufbringen von Klebebändern auf Verpackungen als Investitionsobjekte des Betriebes dar.
In seiner im März 2010 für das Streitjahr abgegebenen Steuererklärung gab der Kläger an, positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen sowie negative Einkünfte (./. 28.423 EUR) aus Gewerbebetrieb erzielt zu haben; den Gewinn aus der Veräußerung der B… Limited erklärte er zunächst nicht. Den Verlust aus Gewerbebetrieb hatte der Kläger im Wege der Einnahmeüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelt. Ausweislich des Abschreibungsverzeichnisses hatte der Kläger bis zum 31. Dezember 2008 für seinen Betrieb neben dem bebauten Grundstück bereits Maschinen für rund 120.000 EUR angeschafft (Leimauftragsystem, Folienheißprägemaschine, Thermoforminganlage etc.) und für eine weitere Maschine (Fräsanlage) Anzahlungen üb...