rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der materiellen Rechtskraft eines Urteils

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Entscheidungsgegenstand und damit der Umfang der materiellen Rechtskraft eines Urteils ergibt sich in erster Linie aus der Urteilsformel. Insbesondere bei klageabweisenden Urteilen sind neben dem nicht aussagekräftigen Tenor des Urteils, der Tatbestand einschließlich des Beteiligtenvortrags und des Antrags des Klägers sowie die Entscheidungsgründe heranzuziehen, um zu ermitteln, inwieweit rechtskräftig entschieden worden ist.

2. Durch ein der Verpflichtungsklage stattgebendes Urteil wird mit Bindungswirkung festgestellt, dass dem Kläger ein Rechtsanspruch auf den mit der Klage begehrten Verwaltungsakt zusteht; im Falle der Klageabweisung aus materiell-rechtlichen Gründen steht fest, dass der Kläger einen solchen Rechtsanspruch nicht hat.

3. Die Rechtskrafterstreckung eines Urteils richtet sich nach den objektiven Umständen und nicht nach dem subjektiven Verständnis und der Intention einzelner am Urteil beteiligter Richter.

 

Normenkette

FGO § 110 Abs. 1, § 40 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Streitig sind die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung –AO– sowie die Reichweite der Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils.

Der Kläger erwarb im Jahr 1992 das Eigentum am Grundstück B…-straße in C…. Das Grundstück ist mit vier Wohneinheiten und einer Gewerbeeinheit bebaut.

Im Jahr 2001 begann der Kläger mit der Durchführung umfassender Sanierungsmaßnahmen. Die Baumaßnahmen am Hauptgebäude waren im Jahr 2004 abgeschlossen. Der Kläger erhielt öffentliche Baukostenzuschüsse in Höhe von insgesamt 239.288,69 EUR. Anschließend vermietete der Kläger die Wohn- und Gewerbeeinheiten.

Die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2004 reichte der Bevollmächtigte des Klägers am 5. Dezember 2006 ein und machte u.a. AfA gem. § 7i Einkommensteuergesetz –EStG– in Höhe von 1.192,– EUR geltend. Er fügte der Einkommensteuererklärung eine nicht datierte Bescheinigung des Landrates des Landkreises D… gem. §§ 7i, 10f und 11b EStG bei, die begünstigte Herstellungskosten in Höhe von 13.234,– EUR auswies. Bereits mit Schriftsatz vom 30. November 2006 hatte der Bevollmächtigte des Klägers unter Hinweis auf eine noch ausstehende Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde beantragt, die Einkommensteuer vorläufig festzusetzen.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2007 wich der Beklagte partiell von der Steuererklärung ab und setzte die Einkommensteuer nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig, hinsichtlich der Denkmalschutz-AfA aber endgültig fest.

Mit seinem fristgerechten Einspruch beantragte der Kläger u.a. die Anordnung des Vorbehalts der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO, da die maßgebende Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde noch fehle.

Am 13. März 2007 erließ der Beklagte einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2004 und ordnete den beantragten Vorbehalt der Nachprüfung an.

Am 23. März 2011 erteilte der Landrat des Landkreises D… eine geänderte Bescheinigung gem. §§ 7i, 10f und 11b EStG und bestätigte begünstigte Herstellungskosten in Höhe von 440.900,55 EUR (einschließlich Umsatzsteuer).

Mit einem Schreiben vom 14. Juni 2011 wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass der Antrag vom 30. November 2006 auf Anordnung der Vorläufigkeit noch nicht bearbeitet worden sei.

Mit einem weiteren Schreiben vom 30. Juni 2011 beantragte der Kläger u.a. eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 2004 dahingehend, dass die Einkünfte des Klägers aus VuV um 21.523,– EUR gemindert würden (AfA gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2b EStG: 1.634,– EUR abzgl. bereits anerkannter 1.491,– EUR; AfA gem. § 7i EStG: 22.571,– EUR abzgl. bereits anerkannter 1.191,– EUR). Er verwies auf § 165 Abs. 1 Satz 1 AO und – hilfsweise – auf § 175 Abs. 1 AO, da der Denkmalschutzbescheid einen Grundlagenbescheid darstelle.

Der Beklagte wertete sowohl das Schreiben vom 14. Juni 2011 als auch das Schreiben vom 30. Juni 2011 als Anträge auf Änderung des Einkommensteuerbescheids 2004.

Den Änderungsantrag vom 14. Juni 2011 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18. August 2011 ab. Den dagegen gerichteten, nicht weiter begründeten Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit einer Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 2014 als unbegründet zurück. Dabei gab er als Streitgegenstand an: Ablehnungsbescheid zum Antrag auf Änderung (Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks) des Einkommensteuerbescheides 2004 vom 18. August 2011. Der Beklagte führte zur Begründung aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 2004, weil mit Ablauf des 31. Dezember 2010 die Festsetzungsfrist für 2004 abgelaufen sei. Es sei auch kein Antrag auf Änderung der bisherigen Steuerfestsetzung mehr offen, der zu einer Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 3 AO führen könnte; denn über den Antrag, den Einkommensteuerbescheid vorläufig zu erlassen, habe der Beklagte mit dem Einkommensteuerbescheid vom 26. Januar 2007 ...

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