rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid aufgrund unterlassener Steuererklärung oder -anmeldung des Steuerpflichtigen
Leitsatz (redaktionell)
1. Hinsichtlich der Festsetzungsfrist für Haftungsbescheide ist auf die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftungsnorm sowie die Entstehung der Steuerschuld abzustellen.
2. Die unterlassene Steuererklärung oder Steueranmeldung des Steuerpflichtigen schiebt den Beginn der Berechnung der Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht hinaus.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1, 3, 5, § 170 Abs. 1 S. 2, §§ 69, 34
Nachgehend
Tenor
Der Haftungsbescheid vom 5. März 2008 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2009 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger war seit 1992 alleiniger Geschäftsführer der B. GmbH. Gegenstand des Unternehmens war der An- und Verkauf und die Verwaltung von Grundstücken und Immobilien. Mit Gesellschafterbeschluss vom 10. August 1999 verlegte die B. GmbH ihren Sitz von C. nach D. und mit weiterem Beschluss vom 30. September 2002 erfolgte die Rückverlegung nach C.. Bereits am 5. Dezember 2002 wurde im Handelsregister des Amtsgerichts E. die Auflösung der B. GmbH und die Bestellung des Klägers zum Liquidator eingetragen. Umsätze wurden nach Aktenlage zumindest seit Ende 2000 nicht mehr erzielt (s. Insolvenzgutachten vom 2. Mai 2005 zu 15… IN 1…/01). Daneben war der Kläger Geschäftsführer und Alleingesellschafter der F. GmbH, die alleinige Gesellschafterin der B. GmbH war.
Am 6. September 2001 beschloss die Gesellschafterversammlung der B. GmbH, an die F. GmbH am selben Tag einen Gewinn für das Kalenderjahr 2000 in Höhe von 1.754.578 DM auszuschütten. Der Kläger stellte der beim Finanzamt in G. steuerlich geführten F. GmbH eine Bescheinigung über anrechenbare Körperschaftsteuer i. H. v. 751.962 DM und Kapitalertragsteuer in Höhe von 438.644,50 DM (224.275,37 EUR) und Solidaritätszuschlag i. H. v. 24.125,44 DM (12.335,14 EUR) aus. Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer betrugen zusammen 608.747,43 EUR. Der Kläger reichte für die B. GmbH aber keine Kapitalertragsteueranmeldung ein und führte die Kapitalertragsteuer nicht an das Finanzamt ab.
Durch weitere Vereinbarung vom 6. September 2001 (Bl. 94 und Bl. 95 der Vollstreckungsakte II) trat die F. GmbH der B. GmbH die anrechenbare Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer sowie den anrechenbaren Solidaritätszuschlag ab. Die F. GmbH zeigte dem Finanzamt G. im August 2002 die Abtretung des erwarteten Guthabens aus der Veranlagung an die B. GmbH an (zunächst in DM dann in EUR).
Am 30. September 2002 beschloss die Gesellschafterversammlung der F. GmbH die Auflösung der Gesellschaft. Zum Liquidator wurde der Kläger bestellt (s. auch Eintragung im Handelsregister des Amtsgerichts G. – HRB …).
Am 9. Mai 2003 stellte der Kläger für die B. GmbH beim Amtsgericht E. einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am 5. August 2003 erließ dieses ein vorläufiges Aufrechnungsverbot für die Gläubiger. Am 15. November 2004 wurde Rechtsanwalt H… als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt.
Am 27. Februar 2003 setzte der Beklagte aufgrund einer vom Finanzamt G. übersandten Kontrollmitteilung über die am 6. September 2001 vorgenommene Ausschüttung gegenüber der B. GmbH für den Zeitraum September 2001 Kapitalertragsteuer in Höhe von 224.275,37 EUR fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Der im Rahmen des folgenden Klageverfahrens ergangene abweisende Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2005 wurde rechtskräftig.
Das Finanzamt G. erließ am 18. Februar 2005 einen Abrechnungsbescheid gegenüber der B. GmbH, mit dem es feststellte, dass das Guthaben aus Körperschaftsteuer 2001 i. H. v. 608.747,69 EUR zuzüglich Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer i. H. v. 12.335,43 EUR (insgesamt 621.083,12 EUR) wegen Abtretung des Erstattungsanspruchs an die B. GmbH erloschen sei. Diesen Betrag überwies das Finanzamt G. an den Beklagten, der es zunächst mit anderen, hier nicht streitigen Steuerschulden verbuchte, aber auf Anforderung des Finanzamt G.s zurückübersandte. Den Bescheid vom 18. Februar 2005 hob das Finanzamt G. mit Verwaltungsakt vom 26. April 2006 auf. Den nach Erlass des geänderten Körperschaftsteuerbescheides 2001 vom 3. Juli 2007 ergangenen Abrechnungsbescheid vom 21. Oktober 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2008 hob das Finanzamt G. am 8. Dezember 2010 auf (FG Berlin-Brandenburg 12 K 12003/09).
Über das Vermögen der B. GmbH wurde am 8. März 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet ...