Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßstab für die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags nach Sitzverlegung mit Änderung des Unternehmensgegenstands. Vergessene Einspruchserledigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags am Maßstab der Arbeitslöhne nach § 29 Abs. 1 GewStG führt zu einem unbilligen Ergebnis i.S. von § 33 Abs. 1 GewStG, wenn sich mit der Sitzverlegung in eine andere Gemeinde der Unternehmensgegenstand vollständig ändert, weil sich der Personalaufwand ganz wesentlich reduziert und auch weitere erhebliche Kostenpositionen entfallen, so dass bei unveränderten Umsätzen nach der Sitzverlegung statt eines Verlustes ein Gewinn erzielt wird. Der erzielte gewerbesteuerpflichtige Gewinn des Erhebungszeitraums steht dann allenfalls zufällig in einem äquivalenten Verhältnis zu den aufgewendeten Arbeitslöhnen. Sachgerecht erscheint eine zeitanteilige Aufteilung.
2. Wird ein Einspruch weder durch eine Einspruchsentscheidung noch durch eine Abhilfe i.S. des § 367 Abs. 2 Satz 3 AO erledigt, tritt eine Erledigung auch nicht durch bloßen Zeitablauf ein. Die Untätigkeit des Steuerpflichtigen ist nicht als konkludente Rücknahme des Einspruchs anzusehen, wenn für denselben Besteuerungszeitraum diverse Rechtsbehelfsverfahren anhängig und Anschlussaußenprüfungen angekündigt waren.
Normenkette
GewStG § 29 Abs. 1, § 33 Abs. 1-2; AO § 351 Abs. 1, § 186 Nr. 2, §§ 185, 184 Abs. 1 S. 3, § 367 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 3
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags der Beigeladenen für den Erhebungszeitraum 1986.
Die Beigeladene unterhielt vom 1. Juli 1981 bis 31. Mai 1986 einen Charterflugbetrieb. Die alleinige Betriebsstätte der Beigeladenen befand sich in diesem Zeitraum in K.. Zum 1. Juni 1986 verlagerte die Beigeladene ihren Sitz nach B.. Der Flugbetrieb wurde ab dem 1. Juni 1986 auf die G. Fluggesellschaft mbH – im Folgenden: G. – übertragen, einer Schwestergesellschaft der Beigeladenen mit Sitz in K.. Die Beigeladene verpachtete der G. mit Vertrag vom 31. Mai 1986 ihr gesamtes Sachanlagevermögen, das aus drei Flugzeugen mit Zubehör, Kfz und Einrichtung bestand. Die Arbeitsverhältnisse der Beigeladenen gingen gemäß § 613a Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – auf die G. über. Darüber hinaus übernahm die Beigeladene aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrags die Geschäftsführung und Organisation, die Assistenz beim Verkauf der Flugstunden und die Vertretung gegenüber Dritten für die G. gegen ein monatliches Entgelt von DM ….
Die Beigeladene erzielte in den Monaten Januar bis Mai 1986 einen Verlust vor Steuern in Höhe von DM …. Den Erträgen dieses Zeitraums in Höhe von DM … standen u.a. Personalkosten in Höhe von DM … gegenüber. Im Zeitraum von Juni bis Dezember 1986 erzielte die Beigeladene einen Gewinn in Höhe von DM …. Ihr Personalaufwand betrug in diesem Zeitraum DM ….
Der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag der Beigeladenen für 1986 wurde erstmals mit Bescheid des Beklagten vom 1. Juli 1988 festgesetzt; eine Zerlegung wurde zunächst nicht durchgeführt. Auf Antrag der Klägerin erließ der Beklagte am 18. Januar 1989 erstmals einen Bescheid über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags 1986, in dem er den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von DM … auf der Basis der Arbeitslöhne nach § 29 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz – GewStG – auf die Gemeinde K. und die Stadt B. (Art. 1 Abs. 1 Verfassung von B.) wie folgt verteilte:
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Arbeitslöhne |
Zerlegungsanteil |
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B. |
… |
… |
13,79 v.H. |
K. |
… |
… |
86,21 v.H. |
Summe |
… |
… |
100 v.H. |
Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abgabenordnung – AO –; er wurde nicht durch einen Einspruch angegriffen.
In der Folge wurde bei der Beigeladenen für die Jahre 1983 bis 1988 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Nach Tz. 23 des Prüfungsberichts vom 12. Juni 1990 beantragte die Klägerin, ihr den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1986 und 1987 – und zwar für das Jahr 1986 zusätzlich zum Zerlegungsanteil nach § 29 GewStG – mit jeweils 15 v.H. und ab 1988 mit 25 v.H. zuzuweisen, da die Ausübung der Geschäftsführung für die G. durch die Beigeladene zu einer Betriebsstätte der Beigeladenen in K. führe. Der Außenprüfer des Finanzamts B. schloss sich der Auffassung der Klägerin nicht an. Es sei nicht feststellbar, ob die Anwesenheit des Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen in K. regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang erfolgt sei.
Am 28. Oktober 1994 erließ der Beklagte einen geänderten Zerlegungsbescheid für 1986. Die Zerlegung wurde wiederum anhand der Arbeitslöhne gemäß § 29 Abs. 1 GewStG durchgeführt. Aufgrund eines geänderten einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags von DM … ergab sich folgende Aufteilung:
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Arbeitslöhne |
Zerlegungsanteil |
|
B. |
… |
… |
13,79 v.H. |
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