rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abweichende Kindergeldbewilligungen verschiedener Dienststellen; Wohnsitz des studierenden Kindes
Leitsatz (amtlich)
Eine Kindergeldbewilligung der für den Stiefvater des Kindes zuständigen Dienststelle bindet nicht im Rechtsstreit des Kindesvaters mit dem für ihn zuständigen Arbeitsamt. (Rechtswidrige) Weisungen des Bundesamtes für Finanzen entfalten im finanzgerichtlichen Verfahren keine Wirkung.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 1-3; AO §§ 8-9
Tatbestand
Die Beteiligten stritten darüber, ob das Kindergeld für die gemeinsame Tochter X dem Kl. (Vater) oder der Beigel. (Mutter), die voneinander geschieden sind, zusteht. X studiert seit 1992 in Y an der dortigen Universität. Seit dieser Zeit ist sie in Y mit erstem Wohnsitz gemeldet und bewohnt ein Zimmer in einer 3-Zimmer- Wohnung. Der Vater zahlte monatlich mindestens 850 DM Unterhalt, die nicht berufstätige Mutter zahlte insoweit nach ihrer Behauptung 650 DM. Kindergeld wurde für X an den Ehemann der Beigel. von dessen Dienststelle gezahlt. 1996 beantragte der Vater Zahlung des Kindergeldes an sich. Diesem Antrag entsprach das Arbeitsamt und unterrichtete die Dienststelle des Stiefvaters. Diese wandte sich an das BfF, das die Auffassung vertrat, X gehöre zum Haushalt der Mutter. Darin sah das Arbeitsamt eine bindende Weisung und stellte mit Bescheid vom 24. April 1997 die Kindergeldzahlung ein. Hiergegen wendet sich der Vater und begehrt weitere Zahlung an sich.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Entscheidungen erweisen sich als rechtswidrig und verletzen den Kl. in seinen Rechten. Sie waren daher aufzuheben, so daß der Bekl. entsprechend seinem Bewilligungsbescheid vom 9. Juli 1996 auch über den März 1997 hinaus Kindergeld an den Kl. zu zahlen hat (vorbehaltlich des Nachweises der Einkommensvoraussetzungen der Tochter, was dem ... Landesverwaltungsamt vorliegen dürfte). Das Kindergeld für die Tochter X steht für den Streitzeitraum ab April 1997 dem Kl. zu, nicht jedoch der Beigel. Über etwaige Folgerungen, die der Dienstherr des Stiefvaters für dessen Kindergeldbewilligung zu ziehen hat, kann in diesem Rechtsstreit nicht entschieden werden, da dies nicht Streitgegenstand ist.
An der Feststellung, daß das Kindergeld für X dem Kindesvater (Kl.), nicht jedoch der Kindesmutter (Beigel.) zusteht, ist der Senat weder durch die Kindergeldfestsetzung zugunsten des Stiefvaters durch das ... Landesverwaltungsamt noch durch die Stellungnahme oder Weisung des BfF vom 24. März 1997 gehindert (nachfolgend sub 1). Der Kindergeldanspruch des Kl. folgt aus § 64 Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG. Denn die Tochter X verfügt über einen eigenen Hausstand, war jedenfalls im Streitzeitraum nicht mehr im Haushalt der Beigel. aufgenommen (nachfolgend sub 2). Bei dieser Konstellation steht das Kindergeld dem Elternteil zu, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt. Das war und ist der Kl. (nachfolgend sub 3).
Keine Bindung an Kindergeldbewilligung durch andere Behörde
1. Entgegen der Annahme der Beigel. bestand weder für den Bekl. noch besteht für den Senat eine Bindung an eine Bewilligung von Kindergeld seitens der Besoldungsstelle des Stiefvaters. Ersichtlich ist sie der Ansicht, eine solche Bewilligung entfalte gleichsam eine Sperrwirkung und hindere eine anderweitige Entscheidung. Diese Ansicht entbehrt jeder Rechtsgrundlage. Bezeichnenderweise benennt die Beigel. selbst eine solche nicht. Ihr Hinweis auf § 70 EStG geht fehl, da diese Norm nichts zur Konkurrenz zwischen mehreren Kindergeldberechtigten bzw. Anspruchsstellern aussagt. Auch § 64 Abs. 1 EStG ist entgegen der Annahme der Beigel. nicht einschlägig. Dies ist eine reine materiell-rechtliche Norm, die besagt, daß für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt wird. Wer Berechtigter ist und wie dieser ermittelt wird, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Ob dem § 64 Abs. 1 EStG ein Doppelungsverbot entnommen werden kann, erscheint zweifelhaft. Es war jedenfalls primär ein Aufteilungsverbot beabsichtigt. Selbst bei Annahme eines Doppelungsverbots bestimmt sich nach dieser Norm nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen welchem potentiell Berechtigten der Vorrang gebührt. Insbesondere gibt es weder in dieser Bestimmung noch in einer anderen Vorschrift einen Anhalt für den Grundsatz prior tempore polior iure, d. h. des Vorrangs einer zeitlich früheren Entscheidung.
Auch die von der Beigel. erwähnte Tatbestandswirkung, mit der sie ersichtlich aber die von der Tatbestandswirkung zu unterscheidende sog. Bindungswirkung meinte, ist vorliegend ohne jede Relevanz. Sie bedeutet lediglich für die an jenem Verwaltungsverfahren Beteiligten, d. h. das ... Landesverwaltungsamt und den Ehemann der Beigel., daß in ihrem Verhältnis die Rechtsbeziehungen potentiell verbindlich (vorbehaltlich gerichtlicher Prüfung) geregelt werden. Der insoweit ergangene VA ist ein von beiden zu beachtender Tatbestand und hat ähnlich wie ein Urteil Bindungswirkung, genießt Bestandskraft. Mit ...