Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfte eines häuslichen Pflegedienstes gewerblich?
Leitsatz (redaktionell)
Ein eigenverantwortliches Tätigwerden einer Pflegedienstbetreiberin im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG kann nur dann angenommen werden, wenn die Pflegedienstbetreiberin aufgrund ihrer Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Pflegetätigkeit der Mitarbeiter bei jedem einzelnen Patienten Einfluss nimmt. Davon kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn die Unternehmerin rechnerisch nur ca. 7 v. H. ihrer Patienten behandeln oder deren Behandlung intensiv überwachen konnte.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3; GewStG § 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin betrieb im Streitjahr eine private Hauskrankenpflege unter der Bezeichnung ...
Die Klägerin hat eine Ausbildung als Krankenschwester. Sie beschäftigte eine Reihe von Fachkräften (im Streitjahr zwischen 6 und 13, im Durchschnitt 8,75), außerdem ihren Ehemann (für Verwaltungstätigkeiten) und ab der zweiten Jahreshälfte eine Einsatzleiterin. Der durchschnittliche Patientenbestand betrug 108 Kassenpatienten (zwischen 62 und 162 Patienten, im Durchschnitt ca. ein Einsatz / Tag und Patient). Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Bl. ... der Streitakte Bezug. Im Laufe des Streitjahres gebar die Klägerin ein Kind.
Der Betrieb der Klägerin erbrachte in den folgenden Tätigkeitsbereichen Leistungen:
- gegenüber so genannten Sozialamtspatienten; insoweit handelte es sich ausschließlich um hauswirtschaftliche Versorgung einschließlich allgemeiner pflegerischer Leistungen, also keine Behandlungspflege,
- Privatpatienten (geringer Anteil),
- Krankenkassenpatienten; die Leistungen wurden gegenüber den Krankenkassen aufgeteilt in Grundpflege, Behandlungspflege und hauswirtschaftliche Versorgung abgerechnet,
- Insulininjektionen.
Zahlenmäßig verteilen sich die Bruttoerlöse des Streitjahres wie folgt:
Tätigkeitsbereiche |
DM |
v. H. |
Gesamtbetrag Brutto |
1.942.462,76 |
100,00 |
Sozialämter |
786.050,39 |
40,47 |
Privatpat. heilberuflich |
6.531,58 |
0,34 |
Privatpat. nichtheilberuflich |
58.784,28 |
3,03 |
Krankenkassenpat.: |
|
|
Grundpflege |
183.086,00 |
9,42 |
Behandlungspflege |
416.798,86 |
21,46 |
Hauswirtschaftl. Versorgung |
183.086,00 |
9,42 |
Insulininjektionen |
308.125,65 |
15,86 |
Für die Klägerin wurden zunächst keine Gewerbesteuerfestsetzungen erlassen.
Vom 7. November 1994 bis 7. Juni 1995 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch.
Im Rahmen dieser Außenprüfung gab die Klägerin eine Schilderung ihres Tagesablaufes. Danach habe sie um 6:30 Uhr den Anrufbeantworter abgehört, um ggf. Nachrichten über Krankenhauseinweisungen von Patienten oder den Ausfall von Mitarbeitern zu erhalten. Zwischen 6:30 Uhr und 8:30 Uhr habe sie ihre Mitarbeiter für den täglichen Arbeitsablauf instruiert. Von 8:30 Uhr bis 10:30 Uhr habe sie in der Regel die Neuaufnahmen und deren behandelnde Hausärzte besucht. Von 11:00 Uhr bis 15:00 Uhr habe sie Bürotätigkeiten ausgeführt, wozu auch die Kontrolle der Pflegedurchführung und die Anleitung der Mitarbeiter gehört habe. Zu diesem Zwecke habe sie auch bei Patienten angerufen. Danach habe sie wegen der erforderlichen Bewilligungen Kontakt zu den Krankenkassen und verordnenden Ärzten gehalten. Für den Nachmittag gab die Klägerin an, durch Besuche bei den Patienten die Pflegedurchführung kontrolliert zu haben. Ferner habe sie am Nachmittag die Mitarbeiter des Spätdienstes instruiert und an zwei Wochentagen von 17:00 bis 19:00 Uhr Sprechstunden für pflegende Angehörige angeboten. Auch die Fortbildung der Mitarbeiter sei nachmittags an zwei Wochentagen erfolgt. Abrechnungs- und verwaltungstechnische Arbeiten habe sie auf Innendienstmitarbeiter delegiert, die in regelmäßigen Besprechungen von ihr angeleitet worden seien. Parallel zu den zuvor beschriebenen Tätigkeiten habe sie täglich ca. 15 Patienten im Rahmen der Betreuung der Hauskrankenpflege angefahren und bei Ausfall von Mitarbeitern im Rahmen ihrer Springerfunktion die Sicherstellung der Versorgung der Patienten übernommen. Durch Anrufweiterleitung und Pieper sei sie jederzeit für ihre Patienten und Mitarbeiter erreichbar gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Bl. ... Streitakte Bezug.
Der Prüfer sah gleichwohl die Voraussetzungen für eine freiberufliche Tätigkeit nicht als gegeben an, da die Klägerin nicht eigenverantwortlich tätig geworden sei. Er hielt die Tätigkeit der Klägerin davon ausgehend für gewerbesteuerpflichtig und ermittelte einen Gewerbeertrag (vor Verlustvortrag und Freibetrag) von 255.505,00 DM, der unstreitig ist.
Dem folgend erließ der Beklagte am 23. Oktober 1995 einen Bescheid über Gewerbesteuer und Gewerbesteuermessbetrag 1990, mit dem er den Messbetrag auf 10.245,00 DM und die Gewerbesteuer auf 20.490,00 DM festsetzte.
Den dagegen am 10. November 1995 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 1997 zurück.
Dagegen richtet sich die am 3. Juli 1997 erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin...