Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1994
Nachgehend
Tenor
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung sind weitere Werbungskosten der Klägerin von … DM unter Anrechnung der als Sonderausgaben anerkannten Ausbildungskosten von … DM zu berücksichtigen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leisten.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind Arbeitnehmer. Der Kläger erzielte im Streitjahr einen Bruttoarbeitslohn von … DM, die Klägerin von … DM.
Die Klägerin ist ausgebildete Gymnasiallehrerin und bereits seit Jahren in der … tätig. Bei dieser Schule handelt es sich um eine Sonderschule für … und … mit zusätzlichen Verhaltensauffälligkeiten.
Nach ihrem Vorbringen im Veranlagungs-, Einspruchs- und Klageverfahren hat die Klägerin eine Weiterbildung zur Analytischen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin (Psychagogin) begonnen, für die ihr im Jahre 1994 unstreitig Kosten von … DM entstanden sind. Diese Kosten machten die Kläger als Werbungskosten geltend. Der Beklagte hat die Aufwendungen für die Weiterbildung zur Psychagogin nur im Rahmen der Sonderausgaben in Höhe von … DM als Ausbildungskosten berücksichtigt.
Zur Begründung ihrer dagegen gerichteten Klage führen die Kläger im wesentlichen an: Im Streitfall könne nicht das Berufsbild des Gymnasiallehrers mit dem Berufsbild des Psychagogen verglichen werden. Vielmehr sei das Berufsbild der Sonderschullehrerin mit dem Berufsbild des Psychagogen in Beziehung zu setzen. Die Klägerin habe, um als Sonderschullehrerin bestehen zu können, die erforderlichen Zusatzkenntnisse und -qualifikationen erwerben müssen. Zur Vergleichbarkeit der Berufsbilder bezieht sie sich auf von der Bundesanstalt für Arbeit für beide Berufe herausgegebenen Blätter zur Berufskunde betreffend Sonderschullehrer und Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin. Die Tätigkeit des Sonderschullehrers sei nicht allein auf die Vermittlung von Wissen, sondern auch auf diagnostische und therapeutische Maßnahmen gerichtet. Die Klägerin unterrichte ausschließlich derartige mehrfach behinderte Schüler sowie ferner Vorschulklassen, in denen sich auch autistische Kinder befänden. Mit der Fortbildung zur Psychagogin strebe die Klägerin eine Tätigkeit als Mitarbeiter im schulpsychologischen Dienst an. Nach den Ausführungsvorschriften über den Schulpsychologischen Dienst vom 18. August 1988 (Dienstblatt des Senats von Berlin Tl. III – Schulwesen, Wissenschaft, Kultur 1988, 249) könnten Mitarbeiter im Schulpsychologischen Dienst unter anderem diejenigen Lehrkräfte werden, die zusätzlich eine Psychagogen-Ausbildung absolviert haben. Das Berufsbild des Sonderschullehrers sei mit dem Berufsbild des Psychagogen im Kernbereich durchaus vergleichbar.
Der Beklagte hat an seiner ablehnenden Auffassung unter Berufung auf ein Urteil des 8. Senats des Finanzgerichts Berlin vom 17. Oktober 1994 – VIII 235/92 – festgehalten.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung weitere Werbungskosten der Klägerin von … DM statt der als Sonderausgaben anerkannten Ausbildungskosten von … DM zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Senat haben die den Streitfall betreffenden Steuerakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Kläger in ihren Rechten, denn der Beklagte hat die der Höhe nach unstreitigen Aufwendungen der Klägerin für ihre Weiterbildung zur Analytischen Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin –Psychagogin– zu Unrecht als nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz –EStG– beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben (Ausbildungskosten) behandelt. Die Aufwendungen der Klägerin von … DM sind vielmehr in voller Höhe gemäß § 9 Abs. 1 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen, denn sie dienten dazu, Einnahmen zu erwerben, zu sichern und zu erhalten.
Die Abgrenzung von Ausbildungskosten (Sonderausgaben) und Fort- oder Weiterbildungskosten (Werbungskosten/Betriebsausgaben) war Gegenstand zahlreicher auch höchstrichterlicher Entscheidungen. Dabei ist die Rechtsprechung zur Streitfrage offener geworden (vgl. die Übersicht bei Drenseck in Schmidt, EStG, 15. Aufl., Rdnr. 60 zu § 19 „Ausbildungskosten” und „Fortbildungskosten”).
Der Begriff der Fortbildungskosten ist nicht zu eng auszulegen (Bundesfinanzhof –BFH–, Bundessteuerblatt –BStBl– II 1979, 337). Nach neuerer Rechtsprechung können insbesondere auch Kosten für ein Zweit- oder Aufbaustudium Werbungskosten sein, wenn dadurch kein Wechsel in ein...