rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beeinflussung der sog. Primärschuld bei Uneinbringlichkeit von Forderungen i. S. von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG
Leitsatz (amtlich)
Ein Geltendmachen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG durch die Kapitalgesellschaft kann die Höhe der sog. Primärschuld nur dann unmittelbar beeinflussen und nach dem Grundsatz der Akzessorietät der Haftung zur Rechtswidrigkeit eines bereits ergangenen Haftungsbescheids führen, wenn die Uneinbringlichkeit der betreffenden Forderung in jenem Besteuerungszeitraum eingetreten ist, für den der GmbH-Geschäftsführer als Anspruchsverpflichteter im Haftungsbescheid in Anspruch genommen wird.
Normenkette
AO §§ 34, 69, 149 Abs. 2; UStG § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 18 Abs. 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger als ehemaliger Mitgeschäftsführer einer Fa. A-GmbH mit Sitz in Berlin (künftig: GmbH) für rückständige Abgaben dieser Gesellschaft vom Beklagten persönlich in Haftung genommen werden kann.
Der ... Kläger ... war zusammen mit dem Z. Gründungsgesellschafter und Mitgeschäftsführer einer 1994 gegründeten GmbH. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 23. September 1996 wurde der aktuelle Mitgeschäftsführer X. durch Y. ersetzt. Dieser hatte mit Notarvertrag vom gleichen Tage auch sämtliche Gesellschaftsanteile an der GmbH erworben.
Dem Beklagten gelang es ab dem Jahr 1998 nicht mehr, aufgelaufene Steuerrückstände der GmbH durch Vollstreckungsmaßnahmen beizutreiben. Die Gesellschaft stellte zum 15. Januar 1999 ihren Geschäftsbetrieb vollständig ein und wurde am 29. Juli 1999 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Handelsregister gelöscht.
Mit Bescheid vom 28. April 2000 nahm der Beklagte den Kläger unter Berufung auf § 34 i.V.m. § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen rückständiger Abgaben in Höhe eines Betrages von ... DM persönlich in Haftung. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Einspruch blieb erfolglos und wurde vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2000 als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung der Haftungsinanspruchnahme führte der Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger habe grob fahrlässig zahlreiche Pflichtverletzungen begangen, in dem er zum einen wiederholt nicht dafür gesorgt habe, dass die GmbH notwendige Steueranmeldungen oder Jahressteuererklärungen fristgerecht oder überhaupt nur beim jeweils örtlich zuständigen Finanzamt abgegeben habe. Weitere Pflichtverletzungen bestünden darin, dass er nicht dafür gesorgt habe, dass die GmbH die betreffenden Abgaben im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Fälligkeit an das Finanzamt entrichtet habe.
Der Beginn des sog. Haftungszeitraum sei auf den 10. April 1997 festzulegen, da nach § 18 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - an diesem Tag die Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldung der GmbH für das I. Quartal 1997 fällig gewesen sei. Das Ende des Haftungszeitraums sei dagegen auf den 15. Januar 1999, den Tag der vollständigen Einstellung des Geschäftsbetriebs, zu bestimmen.
Die haftungsbegründenden Abgabenrückstände seien auch nicht wegen eventueller zwischenzeitlicher Forderungsausfälle der GmbH geringer als im ursprünglichen Haftungsbescheid anzusetzen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 UStG sei eine Berichtigung der Besteuerungsgrundlagen für denjenigen Besteuerungszeitraum durchzuführen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage, mithin der endgültige Forderungsausfall, eingetreten sei. Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG gelte diese Berichtigungspflicht bereits für das Voranmeldungsverfahren. Es seien jedoch bislang weder berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldungen eingereicht noch Nachweise bezüglich der geltend gemachten Forderungsverluste vorgelegt worden. Im Übrigen seien die fraglichen Steuerfestsetzungen inzwischen bestandskräftig.
Da der Kläger den ihm im sog. Haftungsanhörungsverfahren übersandten "Berechnungsbogen zur Ermittlung der Haftungssumme" nicht ausgefüllt zurückgesandt habe, habe er seine Mitwirkungspflicht an der Aufklärung des Sachverhalts verletzt (§§ 90 ff. AO 1977). Dies berechtige ihn, den Beklagten, zu einer Schätzung der sog. Tilgungsquote. Der letzte vorliegende Jahresabschluss sei auf den 31. Dezember 1997 erstellt worden und daher nicht zu einer umfassenden Beurteilung der Liquiditätsverhältnisse der GmbH im Haftungszeitraum geeignet. Auf Grund der Umstände, dass die Gesellschaft ausweislich dieses Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1997 über einen Kassenbestand in Höhe von ... DM sowie über Bankguthaben in Höhe von ... DM verfügt habe und im Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum 1998 Umsätze in Höhe von netto ... DM angemeldet habe, sei davon auszugehen, dass im Haftungszeitraum ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um die steuerlichen Verpflichtungen der GmbH in vollem Umfang abzudecken.
Wegen derselben Abgabenrückstände erließ der Beklagte am gleichen Tage auch gegenüber dem Mitgeschäftsführer und zuletzt alleinigem Gesellschafter Y. einen...