Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Gesellschafter-Geschäftsführer handelt nicht grob fahrlässig, wenn er im Falle steuerrechtlich nicht einfacher Erwägungen die falschen Schlüsse zieht. Beauftragt er eine Hilfsperson mit steuerlichen Angelegenheiten und verletzt diese eine der in § 34 AO genannten Pflichten, dann muss der Geschäftsführer hierfür nicht ohne weiteres einstehen.
- Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden.
- Reichen die Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, dann sind die rückständigen Umsatzsteuern vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeit gegenüber den anderen Gläubigern. Beachtet der Geschäftsführer diese Grundsätze nicht, dann liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer haftet.
Normenkette
AO §§ 34, 69, 191 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger als Haftungsschuldner für rückständige Steuern einer insolventen GmbH in Anspruch genommen werden kann.
Am 30. März 1999 wurde ein Antrag des Beklagten vom 7. September 1998 auf Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der GmbH vom Amtsgericht ... mangels Masse zurückgewiesen. Dem Antrag des Beklagten waren mehrere weitgehend fruchtlose Sach- und Forderungspfändungsversuche in der Zeit vom 21. April bis zum 16. Juli 1998 vorausgegangen. Der vom Amtsgericht als Gutachter eingesetzte Rechtsanwalt ... stellte in seinem Gutachten vom 24. März 1999 fest, daß die noch vorhandenen Aktiva der GmbH mit 0 DM zu bewerten seien.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 1999 nahm der Beklagte den Kläger wegen rückständiger Umsatzsteuer 1990 unter Berufung auf § 69 i. V. m. § 34 der Abgabenordnung (AO 1977) in Haftung. Hiergegenlegte der Kläger Einspruch ein, der jedoch nur zu einer Beschränkung der Haftungssumme auf die Hauptforderung in Höhe von 211.210,07 DM führte und im übrigen mit Einspruchsentscheidung vom 4. August 2000 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Zur Begründung führte der Beklagte aus, daß der Kläger grob fahrlässig seine Geschäftsführerpflichten verletzt habe, indem er daran mitgewirkt habe, daß die GmbH die im Zusammenhang mit dem Rahmenleistungsvertrag mit dem ... entstandenen Umsätze in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Juli bis einschließlich Dezember 1990 und in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das 2.Halbjahr 1990 nicht als umsatzsteuerbar erklärt und die darauf entfallende Umsatzsteuerschuld nicht zum Zeitpunkt der sog. fiktiven Fälligkeit (10. August 1990) und auch später nicht (nach der Steuerfestsetzung vom 1. Juli 1994 und nach rechtskräftiger Abweisung der beim FG erhobenen Anfechtungsklage) entrichtet habe. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Kläger von seiner Ausbildung her kein Steuerfachmann gewesen sei, hätten ihm Zweifel hinsichtlich der Nichtversteuerung kommen müssen und er hätte ebenso wie die anderen Geschäftsführer den Rat eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe einholen müssen.
Mangels Rücksendung eines ausgefüllten „Berechnungsbogens Haftungssumme“ durch den Kläger habe der Beklagte die Tilgungsquote gemäß § 162 AO 1977 schätzen müssen und habe dabei eine hundertprozentige Tilgungsmöglichkeit im Haftungszeitraum vom 10. August 1990 bis zum 30. März 1999 errechnet.
Der Haftungsanspruch gegenüber dem Kläger sei dagegen im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids nach verjährt gewesen. Die fortgesetzte Nichtentrichtung der fälligen Umsatzsteuer 1990 in den Jahren bis einschließlich 1997 stelle eine permanente Pflichtverletzung i. S. von § 69 AO 1977 in Fortsetzungszusammenhang dar, so daß die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Beginn des Jahres 1998 zu laufen begonnen habe (Hinweis auf rkr. Urteil des FG Münster vom 24. Februar 1995 15 K 5412/92 U - Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1995, 782).
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 28. Oktober 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. August 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist im wesentlichen auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung. Zusätzlich trägt er u. a. vor, daß seiner Ansicht nach auch die ersten beiden Haftungsbegründenden Pflichtverstöße aus den Jahren 1990/91 (Abgabe objektiv unrichtiger Umsatzsteuer-Voranmeldungen) und 1993 (Abgabe der objektiv unrichtigen Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 1990) nicht verjährt seien, weil die jeweiligen Festsetzungsfristen nach den vom FG Bremen in EFG 1999, 518 aufgestellten Grundsätzen zu berechnen seien.
Zur Frage eines etwaigen Mitverschuldens des Finanzamtes an der Entstehung des Haftungsschadens aufgrund der unstreitig fehlenden Beitreibungsbemühungen gegenüber der...