Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Steuerberaterprüfung
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird nach Art. 177 EWG-Vertrag folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Liegt ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 (ABl. Nr. L 39/40) oder gegen anderes Gemeinschaftsrecht in Form der „mittelbaren Diskriminierung von Frauen” vor,
wenn nach Vorschriften des nationalen Rechts (§ 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, Abs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 3 Steuerberatungsgesetz) sich die als Voraussetzung für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung geforderte mindestens 15jährige Sachbearbeitertätigkeit im gehobenen Beamtendienst der Finanzverwaltung bei Teilzeitbeschäftigung mit Ermäßigung bis auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit entsprechend verlängert
und wenn von den 119 teilzeitbeschäftigten Beamten des gehobenen Dienstes der bremischen Finanzverwaltung 110 Frauen sind (92,4 %)?
Tatbestand
I.
Die im Jahr 1953 geborene Klägerin übt eine Sachbearbeitertätigkeit bei der OFD Bremen aus. Mit Schreiben vom 21. Oktober 1992 beantragte sie beim Beklagten eine verbindliche Auskunft darüber, ob die bisher von ihr ausgeübten Tätigkeiten den Anforderungen des § 38 Abs. 1 Nr. 4 a Steuerberatungsgesetz für eine Befreiung von der Steuerberaterprüfung genügten.
Mit Bescheid vom 11. Februar 1993 erteilte der Zulassungsausschuß für Steuerberater beim Beklagten der Klägerin eine verbindliche Auskunft nach § 7 DVStB dahin, daß zu dem von ihr genannten Termin (30. April 1993) die nach § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG zu erfüllende Mindestvoraussetzung einer 15-jährigen Tätigkeit als Sachbearbeiter auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern nicht erfüllt sei. Bei der Festlegung des zeitlichen Umfangs der praktischen Tätigkeit sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß diese hauptberuflich i. S. einer Vollzeittätigkeit ausgeübt worden sei. Deshalb seien bei einem Bewerber, der teilzeitbeschäftigt sei, die entsprechenden Zeiten nur in dem Verhältnis anrechenbar, in dem die individuelle Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit stehe. Folgende Zeiten seien im Fall der Klägerin anrechenbar:
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geleistet |
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anrechenbar |
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J. |
M. |
T. |
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J. |
M. |
T. |
01.08.75 – 10.07.80 |
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11 |
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15.11.80 – 14.11.82 Tz.-Arb. |
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19.03.85 – 18.03.90 – ” – |
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01.04.90 – 31.01.93 – ” – |
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Am 09. März 1993 hat die Klägerin Klage erhoben, die sie wie folgt begründet: Sie habe den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft gestellt, weil sie sich als Steuerberaterin selbständig machen wolle. Es sei unrichtig, daß die für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung erforderlichen Kenntnisse durch eine Vollzeittätigkeit erworben werden müßten. Die Mindesttätigkeitsdauer sei im Jahr 1972 von 5 auf 15 Jahre angehoben worden, um den Abwanderungstendenzen Einhalt zu gebieten, so daß also gerade nicht die Gründe der Qualifikation für die Gesetzesänderung ausschlaggebend gewesen seien. Sie sei auch ebenso qualifiziert wie ihre übrigen Kollegen, die vollzeitbeschäftigt seien. Sie sei zeitgleich mit anderen vollzeitbeschäftigten Sachbearbeitern befördert worden. Falls die von dem Beklagten vorgenommene Auslegung dem Gesetz entspreche, werde geltend gemacht, daß die Norm gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG verstoße. Die wegen der Teilzeitarbeit erfolgte Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis zu Vollzeitbeschäftigten sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die Aufgabenvielfalt bzw. die Qualität der Arbeit, die Teilzeitbeschäftigte erbrächten, sei nicht geringer als diejenige von Vollzeitbeschäftigten. Lediglich die Quantität der Tätigkeiten sei bei Teilzeitbeschäftigten geringer. Dies rechtfertige nicht eine Ungleichbehandlung. Wenn man der Ansicht der Behörde folgen wolle, komme für sie erst mit Ablauf von weiteren 8 Jahren eine Befreiung von der Prüfung in Betracht; zu diesem Zeitpunkt wäre sie bereits 50 Jahre alt. In diesem Alter könne ein Übergang in den Beruf der Steuerberaterin nicht mehr ernsthaft in Betracht gezogen werden. Die Entscheidung des Beklagten verstoße auch gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der verbindlichen Auskunft vom 11. Februar 1993 den Beklagten zu verpflichten, ihr eine verbindliche Auskunft dahingehend zu erteilen, daß sie die Voraussetzungen für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung nach § 38 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StBerG erfüllt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen verbindlichen Auskunft und trägt ergänzend vor: Grundsätzlich sei der Zugang zum Beruf des Steuerberaters von einer durch exakt bestimmte berufseinschlägige Vorbildung und dieser im Umfang angepaßte, deshalb teilweise langjährige entsprechende praktische Tätigkeit zu erwerbenden und in einer Prüfung nachzuweisenden Qualifikation abhängig. Die Bestellung zum Steuerberater nach ein...