Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage an das Bundesverfassungsgericht: Wettbürosteuer in Bremen verfassungswidrig?. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BVerfG: 1 BvL 2/24

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 8 – § 14 VergnStG BR mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig sind.

2. Dem bremischen Landesgesetzgeber fehlte bereits nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG die Gesetzgebungskompetenz für die durch das Gesetz zur Einführung einer Wettbürosteuer vom 14.3.2017 geschaffene Wettbürosteuer (§ 8 – 14 VergnStG BR), weil eine solche Steuer nach Maßgabe des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG der bundesrechtlich speziell im RennwLottG geregelten Steuer (Rennwett- und Sportwettensteuer) gleichartig ist. Bei der Wettbürosteuer nach §§ 8 ff. VergnStG BR handelt es sich um den Typus einer örtlichen Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG.

3. § 11 Abs. 2 VergnStG BR ist mit Art. 3 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar, als darin als Bemessungsgrundlage für die Wettbürosteuer die Zahl der Bildschirme, also ein Stückzahlmaßstab, vorgesehen ist. Ein solcher Stückzahlmaßstab ist ungeeignet für die Bemessung der Wettbürosteuer, weil ihm der erforderliche Bezug zu dem eigentlichen Steuergegenstand fehlt.

4. Unter der in § 9 Abs. 1 VergnStG BR aufgeführten Möglichkeit des Mitverfolgens der Wettergebnisse an Bildschirmen ist jede Form des Beobachtens einzelner Schritte der Entwicklung einer Wette an Bildschirmen zu verstehen, z. B. durch Betrachten der Spielstände und Wettquoten für ein Sportereignis am Bildschirm eines Wettautomaten oder an einem aufgehängten Quotenbildschirm, durch Anschauen des zeitgleich oder zeitversetzt wiedergegebenen Sportereignisses, auf das gewettet wurde bzw. werden kann (Wettveranstaltung), an einem Bildschirm für Sportübertragungen oder durch Ablesen der Informationen an einem Bildschirm eines Wettautomaten oder an einem Kundenbildschirm des Kassensystems darüber, ob eine abgeschlossene Wette gewonnen wurde und wie hoch der individuelle Wettgewinn ist.

5. Dabei müssen nicht für alle in einer Wettvermittlungsstelle angebotenen Wetten sämtliche Schritte der Entwicklung an Bildschirmen tatsächlich beobachtbar sein. Nach dem in § 9 Abs. 1 VergnStG BR in Verbindung mit § 11 VergnStG BR zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers ist für die Möglichkeit des Mitverfolgens der Wettergebnisse an Bildschirmen allerdings erforderlich, dass zumindest für einzelne Wetten alle Schritte der Entwicklung an Bildschirmen beobachtbar sind, also in der jeweiligen Wettvermittlungsstelle nicht nur Quotenbildschirme und Wettautomaten vorhanden sind, sondern zugleich Bildschirme mit Sportübertragungen, die mit einem Receiver eines TV-Anbieters, z. B. Sky Deutschland, verbunden sind, der einzelne Sportereignisse auch live überträgt.

6. Es besteht kein Vorrang eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH wegen Zweifeln an der Unionsrechtmäßigkeit der §§ 8 ff. VergnStG BR gegenüber einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht.

 

Normenkette

VergnStG BR § 8; VergnStG BR § 9 Abs. 1; VergnStG BR § 11 Abs. 2; VergnStG BR § 14; AEUV Art. 49, 56; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a S. 1, Art. 100 Abs. 1; RennwLottG §§ 10-11, 17 Abs. 2

 

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob §§ 8 bis 14 des Bremischen Vergnügungssteuergesetzes vom 14. Dezember 1990 in der Fassung des Gesetzes zur Einführung einer Wettbürosteuer vom 14. März 2017 mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig sind.

 

Tatbestand

A. Sach- und Streitstand

In dem unter dem Aktenzeichen 2 K 48/23 (1) beim Finanzgericht (FG) Bremen geführten Klageverfahren wegen Festsetzung von Wettbürosteuer für den Monat August 2017 ist streitig, ob §§ 8 ff. des Bremischen Vergnügungssteuergesetzes vom 14. Dezember 1990 (Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen -Brem.GBl.- vom 19. Dezember 1990, 467 ff.) in der Fassung des Gesetzes zur Einführung einer Wettbürosteuer vom 14. März 2017 (Brem.GBl. 2017, 104) – nachfolgend abgekürzt: VergnStG BR – mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar und deshalb ungültig sind und ob Art. 49 und Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dahin auszulegen sind, dass sie §§ 8 ff. VergnStG BR entgegenstehen.

Dieselben Fragen waren bereits streitig in dem von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gegen den Beklagten beim FG Bremen geführten Klageverfahren wegen Wettbürosteuer für den Vormonat (Juli 2017) mit dem Aktenzeichen 2 K 37/19. Nachdem das FG Bremen das vorgenannte Verfahren mit Beschluss vom 19. Juni 2019 (veröffentlicht in juris) ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber eingeholt hatte, ob § 11 Abs. 2 VergnStG BR mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig ist, wurde die Klage zum Aktenzeichen 2 K 37/19 am 18. August 2021 zurückgenommen. Mit Beschluss vom 3. September 2021 wurde daraufhin das Klageverfahren eingestellt...

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