Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhebung von Vergnügungsteuer nach dem Bremischen Vergnügungssteuergesetz (VergnStG BR) in den Streitjahren 2015 bis 2018 für Spiel- und Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit verfassungs- und unionsrechtskonform: Gesetzgebungskompetenz für Vergnügungsteuer als örtliche Aufwandsteuer. kein Verstoß gegen Art. 56 AEUV, EU-Grundrechtecharta sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG. kein strukturelles Erhebungsdefizit und kein Verstoß gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Land Bremen hat die Gesetzgebungskompetenz zur Erhebung von Vergnügungsteuer nach dem Bremischen Vergnügungssteuergesetz als örtlicher Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG für Spiel- und Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit (Anschluss an FG Bremen, Urteil v. 17.3.2021, 2 K 119/20). Aus dem BVerfG-Beschluss BVerfG, Beschluss v. 22.3.2022, 1 BvR 2868/15; BVerfG, Beschluss v. 22.3.2022, 1 BvR 2886/15; BVerfG, Beschluss v. 22.3.2022, 1 BvR 2887/15; BVerfG, Beschluss v. 22.3.2022, 1 BvR 354/16 ergibt sich nicht, dass Vergnügungssteuern dann, wenn sie eine mehr als nur geringfügige Belastungswirkung haben, verfassungswidrig sind.
2. Die Erhebung der Vergnügungssteuer nach dem Bremischen Vergnügungssteuergesetz auf Spielautomaten mit manipulationssicherem Zählwerk und Spielautomaten ohne manipulationssicheres Zählwerk aufgrund unterschiedlicher Besteuerungsmaßstäbe (Einspielergebnis einerseits und Stückzahlmaßstab andererseits) verletzt einen Betreiber von Spielautomaten mit manipulationssicherem Zählwerk nicht in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
3. Soweit die Betreiber von sogenannten „Fun Games” – Spielautomaten ohne Bauartzulassung nach § 13 SpielV und ohne manipulationssicheres Zählwerk, die grundsätzlich dem Tatbestand des § 3 Abs. 2 VergnStG BR unterfallen – entweder aufgrund eines bestehenden geringen Entdeckungsrisikos mangels hinreichender Kontrollen der zuständigen Behörden oder infolge ausbleibender Übermittlung der Ergebnisse von Kontrollen der zuständigen Behörden an die Finanzbehörden oder wegen fehlender steuerlicher Auswertung übermittelter Ergebnisse durch die Finanzbehörden keiner Besteuerung unterliegen und damit gegenüber einem seine Glücksspielumsätze korrekt versteuernden Steuerpflichtigen ungleich bessergestellt sind, ist darauf hinzuweisen, dass der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis und damit auf eine „Gleichheit im Unrecht” vermittelt (vgl. FG Münster, Beschluss v. 12.12.2023, 5 V 2325/23 U).
4. Die vergnügungssteuerrechtlich unterschiedliche Behandlung der Nutzung von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit einerseits außerhalb und andererseits innerhalb von Spielbanken verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und die Wettbewerbsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG; im Streitfall: kein verfasungsrechtlicher Anspruch eines Aufstellers von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit in Bremen auf Gleichbehandlung mit der Spielbank in Bremen).
5. Eine Vergnügungssteuer in Höhe von 20 % des Einspielergebnisses stellt keinen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit dar und verstößt auch weder gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV noch gegen die EU-Grundrechtecharta (Festhaltung an FG Bremen, Urteil v. 17.3.2021, 2 K 119/20).
6. Die Regelungen zur Vergnügungssteuer im Bremischen Vergnügungssteuergesetz verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (vgl. hierzu BVerfG, Urteil v. 7.5.1998, 2 BvR 1991/95, BVerfG, Urteil v. 7.5.1998, 2 BvR 2004/95). Das mit der Vergnügungssteuer nach dem Bremischen Vergnügungssteuergesetz vom bremischen Landesgesetzgeber als Lenkungszweck verfolgte Ziel der Verminderung der Zahl der Spielautomaten und Aufstellorte steht nicht im Widerspruch zu vom Bundesgesetzgeber verfolgten Zielen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass gerade wegen der im Bremischen Vergnügungssteuergesetz vorgesehenen Besteuerung von Spielautomaten mit manipulationssicherem Zählwerk nach dem Einspielergebnis und Spielautomaten ohne manipulationssicheres Zählwerk nach einem Stückzahlmaßstab, dessen Höhe vom Aufstellort abhängt, das terrestrische Automatenspiel in einem solchen Umfang im unerlaubten Schwarzmarkt stattfindet, dass wesentliche Steuereinnahmen nicht erzielt oder die Suchtprävention und der Jugendschutz konterkariert würden.
7. Soweit im Land Bremen tatsächlich wie von der Klägerin behauptet ein (Groß-)Teil der Betreiber von illegalen Spielautomaten („Fun Games”) diese nicht bei der zuständigen Behörde anmeldet und das tatsächliche Entdeckungsrisiko so gering ist, dass die Vergnügungssteuer vielfach endgültig nicht erhoben wird, hätte dies seinen Grund jedenfalls nicht in einer materiellen Steuernorm – hier: § 3 Abs. 2 VergnStG BR –, sodass insoweit kein strukturelles Vollzugsdefizit bestünde.
Normenkette
VergnStG BR ...